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Savigny stellt, wie wir gesehen haben, Balug’janskij als Betreiber eines „Missionsgeschäfts“ dar. Gleichzeitig berührt der Vorgang für ihn selbst eine tiefere Ebene.Wenn er auf eine Mission Bezug nimmt, wählt er nicht nur ein Bild für dieVermittlung von etwas Zweckmäßigem, sondern bringt seine Überzeugung von einem rechtstheoretisch richtigen und gebotenen historischenVorgang zumAusdruck.Daher scheint der Gedanke nicht abwegig, daß sich Savigny in seinerVorstellung von dem „Missionsgeschäft“ auch selbst eine Rolle zugewiesen haben dürfte. DieVorstellung, daß Savigny selbst eine rechtswissenschaftlichen Mission betrieben habe, ist in der rechtshistorischen Forschung mehrfach geäußert worden. So spricht Kunkel von „Savignys geschichtlicher Mission“.144 Wieacker hat diesen Gedanken vor allem mit Rücksicht auf dieWirkungen ausgearbeitet.145 Dabei hat er dieWiederherstellung der Idee eines „ius commune europaeum“, einer kontinentalen Zivilrechtswissenschaft, jenseits der Grenzen und Bedingungen der nationalen Rechte, als Savignys „europäische Mission“ bezeichnet. Schon auf die Programmschrift „Vom Beruf unsrer Zeit“ führte Wieacker SavignysVorstellung zurück, daß die „ganze Kultur der modernenVölker international geblieben“ sei. In dieser Hinsicht stand für Savigny auch angesichts der „besonderen Modificationen“, die sich aus der unterschiedlichen Entwicklung der Völker ergeben hatten, die Einheit des in ganz Europa angewendeten römischen Rechts außer Zweifel. Im Geiste dieser „europäischen Mission“ hat er nicht nur die Grundlagen des modernen Internationalen Privatrechts geschaffen.146 Er hat darüber hinaus die Rechtskultur der großen Nationen enger zusammengeführt. DieseVorstellungen gehen auf tiefgehende Überzeugungen von Ursprung und Geltungsgrund des Rechts zurück. Wenn Savigny gegenüber Balug’janskij von einem „Missionsgeschäft“ und vom „Colonisieren“ spricht, dann geschieht dies keinesfalls beiläufig, sondern ernsthaft und wohlgezielt.Um die Gründe für die spezifische Wortwahl zu verstehen, müssen wir zunächst darauf zurückre cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 58 144 W. Kunkel, Savignys Bedeutung für die deutsche Rechtswissenschaft und das deutsche Recht, in: Juristenzeitung 1962, S. 457-463 (458). 145 Wieacker, Gründer und Bewahrer (o. Fn. 63), S. 133 u. 141 f.. 146 Vgl. F. Sturm, Savigny und das internationale Privatrecht seiner Zeit, in: Ius Commune 8 (1979), S. 92-109; U. Seif, Savigny und das internationale Privatrecht des 19. Jahrhunderts, in: RabelsZ65 (2001), S. 492-512. d) Savignys eigene Mission

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