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dienzeit hatte den Zusammenbruch der feudalen Ordnung erlebt, sein Studienabschluß1789fiel in das Jahr der Französischen Revolution. Zu diesemWandel hatte grundlegend die Naturrechtslehre beigetragen. Unter dem Einfluß seines akademischen Lehrers Sonnenfels hatte sich auch Balug’janskij zumAnhänger dieser Lehre entwickelt, und zwar in ihrer spezifisch deutschen Ausprägung, wie sie Pufendorf, Leibniz, Wolff und Thomasius herausgebildet hatten.140 Sie stand dem feudalistischen Erbe kritisch gegenüber und begünstigte gesellschaftliche Modernisierung. Insoweit, als Balug’janskij mit Rücksicht auf seine wissenschaftliche Profilierung Naturrechtler und nicht Anhänger der Historischen Rechtsschule war, konnte ihn Savigny in „unsere Rechtswissenschaft“ also nur in dem weiten Sinne einbeziehen, daß er immerhin ein Vertreter des wissenschaftlich betriebenen Rechts der mitteleuropäischenTradition war.Herangebildet im Geiste der Aufklärung, wurde Balug’janskij 1789, wie gesehen,141 zum Professor an der neugegründeten Akademie in Großwardein ernannt und ging1796 an die Universität Pest. Schon vor seinem Wechsel in die Dienste des Zaren hatte er also als Hochschullehrer gearbeitet. Vor diesem Hintergrund nahm sich Balug’janskij, obgleich slavischer Abstammung,142 ein Stück weit als Angehöriger desWestens wahr. Dies zeigt sich auch daran, daß er selbst eine bemerkenswerte Profilierung gegenüber dem Russen Speranskij vornahm: Er soll öfters geäußert haben, er vermisse bei Speranskij das „deutsche Element“.143 So trat Balug’janskij selbst als in der Rechtstradition Mitteleuropas verhafteter Jurist für Rechtswissenschaft als etwas ein, was auch für andere Rechtsordnungen relevant ist. Angesichts der Vorbehalte, die die Regierung des Zarenreiches gegenüber der Naturrechtslehre hatte, konnte Balug’janskij kaum hoffen, mit seiner Ausrichtung auf das Naturrecht Erfolg zu haben. Die aufklärerische Modernisierungstendenz, für die er stand, war allerdings hochwillkommen. Sie versprach effizientereVerwaltung, modernere Gesetze und günstigere Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung. mart i n ave nar i u s 57 140 Wieacker, Privatrechtsgeschichte (o. Fn. 60), S. 306-322. 141 Vgl. oben S. 26. 142 Medem, Moi vospominanija (o. Fn. 25), S. 415. 143 Medem,Moi vospominanija (o. Fn.25),S. 431.Vgl. L. D. Širokorad, Deutsche Einflüsse auf die russische Wirtschaftswissenschaft im Kontext der russischen Bildungspolitik im18. und frühen 19. Jahrhundert, in: H. Rieter/L. D. Širokorad/J. Zweynert (Hrsg.), Deutsche und russische Ökonomen im Dialog.Wissenschaftstransfer in historischer Perspektive (2005), S. 11-46 (35).

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