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Ausdruck „Colonie“, und zwar für verschiedene Sachverhalte: Unter diesen sind sowohl die antiken, also griechischen und römischen Kolonien zu nennen als auch die speziell von Eingewanderten, etwa Hugenotten bewohnten Siedlungen in Deutschland sowie schließlich die von europäischen Mächten beherrschten Gebiete in Übersee. Alle diese Begriffe der Kolonie haben miteinander gemein, daß Land besiedelt wird in der Absicht, dasselbe zu kultivieren und Ertrag zu erlangen. Und so bringt Savigny auch anschließend den Wunsch nach „reifen Früchten“ zum Ausdruck. Mit einem „Missionsgeschäft“ haben diese Sachverhalte dagegen nicht unmittelbar zu tun. In den Überseekolonien hatte zwar bekanntlich schon damals vielfach Heidenmission stattgefunden, doch etablierte sich die innereVerbindung mit der Kolonisation erst, als diese im späteren 19. Jahrhundert zunehmend von Sendungsbewußtsein getragen wurde.128 Savigny, der das Bild von der Kolonie nun im Zusammenhang mit einem Missionsgeschäft verwendete, spielte auf einen anderen Sachverhalt an und konnte mit Recht davon ausgehen, daß Balug’janskij das Gemeinte völlig klar vor Augen stehen werde: Denn gerade im Zarenreich gab es nicht wenige Kolonien, deren Existenz unmittelbar mit Missionstätigkeit verbunden war.129 Diese Kolonien verdankten ihre Entstehung zum Teil gezielten Besiedelungsmaßnahmen seit Katharina der Großen, zu einem anderenTeil gingen sie auf Einwanderung von Menschen um der eigenen religiösen Entwicklung willen zurück. Die wirkungsmächtige Missionstätigkeit, die von vielen Kolonien ausging, wurde, da sie denVerbindlichkeitsanspruch des orthodoxen Glaubens berührte, aufmerksam beobachtet. Daß Savigny auf diesen der russischen Elite gut bekannten Zusammenhang anspielt, dürfen wir als ersten Hinweis darauf werten, daß unserer Briefpassage eine religiöse Vorstellung zugrundelag. re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 52 128 H. Bley, Art. Kolonialismus 1. Einleitung, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6 (2007), Sp. 873-881(880); vgl. J.Osterhammel,DieVerwandlung derWelt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2. Aufl. (2009), S. 1173-1179; ders., Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, 6.Aufl. (2009), S. 101 f.; S. Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte (2008), S. 70-72. 129 Ausführlich D. Brandes, Einwanderung und Entwicklung der Kolonien, in: G. Stricker (Hrsg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas. Rußland (1997), S. 35110.

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