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sonen bedeutet diese zusätzliche Legitimation eine Stärkung, die es Justinian erlaubt, in seinen von den Streitigkeiten der kaiserzeitlichen Schulen durchsetzten Quellen im Zweifel die Partei des rechtmäßigenWillens zu ergreifen. Und so erklärt er in endgültiger, in der Sache die Institutionen des Gaius bestätigenden Entscheidung einer solchen Kontroverse: In diesem Gewand eines auf hochklassischen Quellen aufbauenden, durch eine interpretatio Christiana vertieften Humanismus wurde das römische Recht als ratio scripta seit Bologna in Europa rezipiert. Bei Savigny, der die letzte große unmittelbare Geltungsphase des justinianischen Rechts initiiert, ist die christliche Sinngebung des individuelle Freiheit organisierenden Rechts d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 53 ist, was Tertullian allerdings mit einer der justinianischen Kodifikation fremden Radikalität ausspricht: et corpore et spiritu desciit a suo institutore. Für einen Romanisten ist dann höchst bemerkenswert, wie Tertullian das sprachlich in den Gegensatz von Schöpfer (institutor) undWidersacher (interpolator) faßt. I (7): Multum interest inter corruptelam et integritatem, quia multum est inter institutorem et inpterolatorem (Es gibt einen großen Unterschied zwischenVerderbnis und Unversehrtheit, weil es einen großen Unterschied gibt zwischen dem Schöpfer und dem teuflischen Verblender.) Denn es ist sicher eines der bemerkenswertesten semantischen Vertauschungen der Geistesgeschichte, daß Justinian, der sich als vom göttlichen Institutor inspiriert sah, aus dem Blickpunkt der spätromantischen Romanistik zum großen Interpolator wurde, zum üblen, byzantinisches Blendwerk erzeugenden Verfälscher der reinen Volksart der Römer. Heute wissen wir besser, wo hier dieVerblendung lag. 65 CJ 4, 38, 6 (531). Der Satz, der in seinem Pathos an eine berühmte Vorschrift 1334, al. 1 Code Civil erinnert (Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites), bekräftigt die Parteinahme für die klassische Ansicht, daß Konsensualverträge wie die societas unter Bedingungen geschlossen werden konnten. Daß dies bestritten war, beruht auf der vorklassischenVorgeschichte dieserVerträge, die sie als negotia bona fide contracta sah, d.h. als vom naturrechtlichen Vertrauensprinzip sanktionierte Geschäfte, und folgerichtig insoweit Bedingungen für unmöglich erklärte, weil ein unter Bedingung gestelltesVertrauen mit demWesen wahren Vertrauen unvereinbar ist. Den grundsätzlichen Durchbruch der klassischen Ansicht meldet für seine Schule in Bezug auf die Austauschverträge bereits Gaius III 146: iam enim non dubitatur, quin sub condicione res veniri aut locari possint. Bei der Gesellschaft scheinen die Zweifel etwas länger gewährt zu haben. Näher zu der Kontroverse in meinem Beitrag, Feste Regelungsstruktur oder auslegungsfähiges Pflichtenverhältnis, in:Alfred Dufour et alii (edd.), Pacte, convention, contrat, Mélanges Bruno Schmidlin (1998) S. 40 ff. mit Am. 12. Voluntatem etenim legitime contrahentium omnimodo conservandae sunt. (Denn derWille derer, die einen rechtmäßigen Vertrag geschlossen haben, ist auf jeden Fall zu sichern.)65

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