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d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 201 verschiedenen Auffassungen, welche im20. Jahrhundert dominierend waren, doctrine classique und doctrine moderne. Die “klassische” Doktrin zielt auf das Erbe nach den Exegeten des 19. Jahrhunderts ab. Die “moderne” Doktrin hat es geschafft, sich von den schlimmsten Buchstäblichkeiten zu befreien.Der Einfluss der Doktrin auf die Rechtsbildung ist unbestreitbar. Man kann sich ein Rechtssystem ohne Gesetz, Sitte oder Praxis vorstellen, aber keine Rechtsordnung ohne Doktrin, da es die Rechtswissenschaft ist, welche den anderen Rechtsquellen ihr “Selbstbewusstsein” schenkt.131 Terré hat also ein großesVertrauen in die Bedeutung der Rechtswissenschaft. Cabrillac hält fest an der untergeordneten Stellung der Doktrin, zumindest auf einer formellen Ebene. Die ernstzunehmendeste Einwendung ist, dass die Doktrin von Uneinigkeit geplagt ist. Nicht einmal wenn die Rechtswissenschaft einen Konsens erreicht, ist dieser höher als eine autorité.132 Im übrigen weist er jedoch der Doktrin eine wichtige Bedeutung zu. Der Ausdruck “allgemeines Rechtsbewusstsein” kommt nicht vor, aber er meint anscheinend, dass die Rolle der Doktrin gerade darin besteht, das zu formulieren, was zumindest das Rechtsbewusstsein der Juristen darstellt. Und durch Auswählen, Publizieren, Kommentieren und Systematisieren, beeinflusst die Doktrin auch die allgemeine Auffassung von Rechtsquellen. Besonders für die Praxis dient die Doktrin als ein notwendiger Filtermechanismus.133 Das Gerichtsurteil bekommt größere allgemeine Gültigkeit durch rechtswissenschaftliche Bearbeitung.All131 “...son rôle est d’autant plus irremplaçable qu’on peut à la limite imaginer un système juridique sans lois ou sans coutume ou sans jurisprudence, mais qu’on ne peut imaginer un système juridique sans doctrine, car c’est elle qui fait prendre aux autres composantes du droit conscience de leur propre existence.”,Terré, supra n. 73, s. 217. 132 “Comment pourrait-il en être autrement alors que les opinions doctrinales sont souvent différentes, voire opposés! Même unanime la doctrine n’est pas une source de droit. ... la doctrine est une «autorité»”, Cabrillac, supra n. 51, s. 137. 133 “La doctrine exerce une influence plus grande encore sur la jurisprudence... En amont de la décision, les auteurs facilitent par leurs études et commentaires le travail d’interprète, voire de créateur, des tribunaux... En aval, la doctrine sélectionne les décisions qui méritent d’être publiées, face apparente de l’immense iceberg jurisprudentiel. La doctrine systématise ... les décisions rendues, leur donnant ainsi une portée générale.”, s. 138.

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