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benutzt, hat ihn besonders klar ausgesprochen und die Folgerungen für die systematische Auslegung daraus gezogen2. Aber er ist, wie noch zu zeigen sein wird, viel älter. Gerade nun dieser einheitliche Geist, der die Kodifikationen auszeichnet und sie zu klaren und leicht handhabbaren Gesetzbüchern erhebt, bedeutet aber zugleich eine Gefahr. Er besteht darin, daß dieser Geist für die politische Macht verfügbar wird. Es ist gerade die geistige Mitte, von der eine Kodifikation beherrscht wird und die sie belebt, die sie auch gefährden kann. Sie kann verstanden, mißbilligt, angegriffen und uminterpretiert werden. Weil die Kodifikation deutlich macht, daß sie einem geistigen Prinzip folgt, gibt es die Möglichkeit, sie von ihrem zentralen Punkt her umzugestalten. Das ist immer wieder geschehen, durch die Politik und durch die Wissenschaft.3 Ein nicht kodifiziertes, einer selbständigen Juristenprofession anvertrautes Recht, das von einem einheitlichen geistigen Prinzip nichts weiß, ist gegenüber dieser Gefahr geschützt. Cokes berühmte Bemerkung gegenüber dem englischen König, die darauf hinauslief, daß im Recht nur der eine Stimme habe, der es zu seinem Lebensberuf gemacht habe, und die Berufung auf die bloßeVernunft nicht ausreiche, machte diesen ärgerlich, ließ d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 17 2 In seiner Kritik am französischen Code civil, wie er sie in seiner Schrift “Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft” (1814) vorträgt. Es sei auffallend, daß (S. 74) “Eine Art der Ergänzung gar nicht vorkommt, die organische nämlich, welche von einem gegebenen Punkt (also von einem Grundsatz des Gesetzbuchs) mit wissenschaftlicher Sicherheit auf einen nicht gegebenen schließt.”DiesesVerfahren, daß Savigny mit dem allgemeinenWort Analogie bezeichnet und das heute als Gesetzesanalogie bezeichnet wird, setzte (S. 75) “in dem Gesetzbuch selbst eine organische Einheit voraus.An eine solche ist aber hier auch nicht entfernt zu denken”. Daher bliebe in Frankreich nur eine “Ergänzung von außen”, vom Naturrecht, vom bisherigen Recht und von der – nicht in das Gesetzbuch integrierten – wissenschaftlichen Theorie. 3 Vgl. am Beispiel der schwierigen Geschichte des BGB meinen Beitrag: Das Privatrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, seine Kodifikationsgeschichte, sein Verhältnis zu den Grundrechten und seine Grundlagen im klassisch-republikanischen Verfassungsdenken, in: Okko Behrends/Wolfgang Sellert (Hrsg.), Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), 9. Symposion der Kommission “Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart” (2000), S. 9-82.

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