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d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 159 Die Kodifikation ist eine relativ moderne Erscheinung in der Rechtsgeschichte. Justinianus Corpus Iuris Civilis stellt keine Kodifikation dar, sondern ist eine lose zusammengefügte Sammlung von römisch-rechtlichem Stoff aus verschiedenen Epochen. Er wird gewiss Schule machen für die nachfolgenden Gesetzesbücher, wie z.B. die mittelalterlichen Dekret-Sammlungen, aber die bedeutenden Gesetzeswerke ALR, ABGB und Code Civil treten unter der Aufklärung6 als Repräsentanten für eine völlig neue methodologische Sichtweise der gesamten Rechtsbildung hervor. Drei Elemente sind grundlegend für die Legitimität der Kodifikation als Rechtsquelle: der absolute Vorrang des geschriebenen Rechts und die Ambitionen, eine vollständige und dauerhafte Rechtsordnung zu schaffen. DerVorrang des geschriebenen Rechts ist ein Resultat daraus, dass das ius commune, das Gewohnheitsrecht und das sogenannte Juristenrecht für innere Widersprüchlichkeit und Unvorhersehbarkeit kritisiert wurden. Im besonderen der Einfluss der Juristenschaft auf die Rechtsbildung wurde als destruktiv und unvereinbar mit den Bestrebungen nach Einheit angesehen.7 Frankreich war ein deutliches Beispiel für eine rechtliche Spaltung. Im Norden (les pays coutumiers) herrschte das Gewohnheitsrecht und im Süden (les pays de droit écrit) das 1. di e leg i t imi e renden e lemente de r kodi f ikat ionsmethode 6 “Das Entstehen der großen Gesetzeswerke der Aufklärung … sollte .. als Resultat von drei zusammenwirkenden Umständen verstanden werden … die politischen Reformbedingungen der Aufklärungsbewegung, die rechtswissenschaftliche Methode des rationalistischen Naturrechts und die Auswirkungen der neuen Kommunikationstechnik, welche die Erfindung des Buchdruckes gegeben hat”, E. Anners, Den europeiska rättens historia 2, Stockholm (1980), s. 32 7 In bezug auf Frankreich wurde darauf hingewiesen, dass “ImVordergrund stand die Auflehnung gegen die Geltung eines ungewissen, widerspruchsvollen und für den Laien unverständlichen Rechts und damit gegen die Herrschaft eines nach Bildung und Herkunft fremden Juristenstandes, der dieses Recht Praktizierte. Die Abhilfe gegen diesen Objektstatus der justiciables sah man vorerst einerseits in einer Art Rechtskatechismus und andererseits in der absoluten Bindung des Richters an das Gesetz.”,W.Wilhelm, Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich im17 und 18 Jahrhundert, Ius Commune I, (ed.) Coing, Frankfurt (1967), s. 261.

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