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Michael Stolleis 170 zwischen Deutschland und Frankreich war, das wiederholten die Rechtshistoriker mit ihren (natiirlich viel bcscheideneren) Mitteln. 1947 erschien Paul Koschakers Buch „Europa und das römlsche Recht“^, ein leidenschaftlicher Appell, die alte Verbindung von Zivilrechtsdogmatik und römischer Rechtsgeschichte wieder zu erneuern und sich des europäischen Horizonts zu vergewissern. Bald darauf veröffentlichte Franz Wieacker die erste Auflage seiner „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“, die in der zweiten Auflage von 1967 zum Klassiker werdcn sollte. Auch die Geschichte des Völkerrechts, die Anschlul^ an die Internationalität zu garantieren schien, hatte in den fiinfziger Jahren gute Tage: Arbeiten iiber die spanische Spätscholastik, die Schule von Salamanca, und ihre Bedeutung fur das europäische Völkerrecht erschienen^. Ideengeschichtlich wurden die Projekte zum „Ewigen Frieden“ wieder attraktiv'^. Die Romanistik fand sich international wieder zusammen — verständhcherweise nicht ohne persönhche Schwierigkeiten bei den Wiederbegegnungen zwischen fruheren Kollegen, Lehrern und Schulern^°. Gleichzeitig begann man im europäischen Zusammenhang zu planen, etw'a eine Neubearbeitung von Savigny’s „Römisches Recht imMittelalter“, woraus dann das Unternehmen IRMAE (lus RomanumMcdii AEVI) erwuchs**. Die Verbindungen zu den italienischen Romanisten stellten sich rasch wieder her. Viel weniger intensiv blieb der Austausch mit Frankreich. Spanien und Portugal waren weiterhin autoritär regicrt und amfreien Austausch behindert. In dieser Situation entstand auch die Idee, ein Max-Planck-Institut fiir europäische Rechtsgeschichte zu griinden. Der als Organisatör, Frankfurter Rektor und Präsident der Rektorcnkonferenz hochangesehene und einfluBreiche Helmut Going verfolgte diesen Gedanken, und es gliickte ihm relativ rasch, ihn durchzusetzen, weil der Gedanke der Uberwindungvon Nationalismen und der Restituicrung eincs historisch begriindeten Zusammenhangs Europas besonders attraktiv war. In diesem Sinne hat das Institut ein grol^es Sammelwerk der Quellen und Eiteratur der europäischen Privatrechtsgeschichte in Angriff genommen und 1973 den ersten Band präsentiert'^. Was die Generation fuhrender Rechtshistoriker nach dem zweiten Weltkrieg zusammenfiihrte, war die politische Hoffnung, wieder im Sinne eines ^ Miinchcn und Berlin 1947; 4. Aufl. Miinchcn 1966. Zur Vorgeschichte vgl. M. Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischcn Recht, Berlin 1974, 31 f.; D. Simon, Die deutsche Wissenschaft vomrömischen Recht nach 1933, in: M. Stollcis - D. Simon (Hg.), Rechtsgeschichte imNationalsozialismus, Tubingen 1989, 161-176. * £. £ct£sfch2, Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, Karlsruhe 1955. ’ H. ]. Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, Bonn 1953. D. Simon, Ernst Lew, in: B. Dicstelkamp — M. Stolleis (Hg.), Juristen an der Universität Frankfurt, Baden-Baden 1989, 94-101 (97 f.). >' lUS ROMANUM MEDII AEVI, Mailand 1961 ft. H. Going (Hrsg.), Handbuch der Qucllen und Literatur der Neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, Erster Band: Mittelalter (100-1500), Miinchen 1973. Siehe dort insbes. die Einleitung des Herauegcbers, 3-35.

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