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Zwischen statischen Rechtskategorien und historisch veränderlichempositiven Recht: das naturrechtliche Dilemma Claes Peterson Die Einsicht, daft das Wissen die Forderungen einer totalen empirischen Vielfait nie erfullen kann, stellt die erste Voraussetzung der Wissenschaft dar. Alles Wissen und Denken ist somit das Ergebnis einer mehr oder weniger bewufiten Auswahl von Fakten. Fine fur die Wissenschaft grundlegende Aufgabe ist es deswegen, zu untersuchen, welche die Kriterien sind, die diese Auswahl bestimmen. Es geht darum, den iiberwältigenden Stoff zu meistern und eine Einheit der Erkenntnis zu bewirken. Die Alternative wäre Wissenschaos. Ein solches Szenario stellt sich der menschlichen Vernunft als erschreckend dar, deren Lebensprinzip und Streben es ist, das Prinzipielle des Daseins zu entdecken und darzulegen. Was diese allgemeine Zielsetzung aller Wissenschaft betrifft, gilt fiir die Rechtswissenschaft keine Ausnahme. Aus demBlickwinkel der juristischen Methodenlehre stellt die kasuistische Vielfalt des Rechts eine Bedrohung der einheitlichen und sicheren Rechtsanwendung dar. Ohne Prinzipien oder irgendwelche allgemeinen Auswahlgesichtspunkte kann der Jurist die verschiedenen Fälle nicht unterscheiden. Es ist somit die Aufgabe der Rechtswissenschaft, in einemRechtsstoff, der äuBerst heterogen und auch veränderlich erscheint, Prinzipien zu finden und zu entwickeln, die das juristische Material - vor allemin der Gestalt von Gesetzgebung und Rechtsprechung— fiigsammacht. Eine systematische Grundstruktur, die einen Schliissel zu Stabilität und Einheit des Rechts bietet, sollte aufgebaut werden. Die Aufgabe imRechtsstoffe Systematik zu schaffen, ist ein traditionelles Hauptanliegen der Rechtswissenschaft. Mit anderen Worten: Der Traum einer widerspruchsfreien und beständigen Rechtseinheit stand und steht hinter jeglicher rechtswissenschaftlichen Tätigkeit. Je chaotischer die Welt erschien, d. h. je unkoordinierter sich das Recht darstellte, um so deutlicher schob sich das Ideal der Rechtseinheit in den Vordergrund. Mit Ausnahme der historischen Rechtsschule im 19. Jahrhundert hat fast jede rechtstheoretische Richtung dem Ideal der Rechtseinheit mit fiber Zeit und Raumtranszendierender Gultigkeit gehuldigt. Eine psychologische Erklärung dieser Idealisierung liegt nahe, und zwar als ein Bediirfnis, etwas Beständiges zu haben, wenn das Recht ständig seine Gestalt zu verändern scheint. Letztlich scheint es also umeine Frage der Sicherheit in einer ver-

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