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20 Paolo Cappfi.i.im seln befreit hat — wie so oft In der Geschichtsschreibung angenommen wird — vielmehr dazu beitrug, daft diese erneut „theologisiert“ wurde. Gewif? fid es damals auf, wie auch schon Loening angemerkt hat, daii eine solche Wiedertheologisierung von einem negativen Merkmal gekennzeichnet war: „Der Ausdruck Staat selbst erhielt dadurch eine iible Nebenbedeutung, und V. L. von Seckendorff verwahrt sich in der Vorrede zu seinem Furstenstaat (1655) dagegen, daft er „mit dem Worte Staat keineswegs das gemeint, was darunter heutzutage öfters begriffen werde und fast eine Untreue, Schandtat und Leichtfertigkeit zu nennen sein wird, die an etlichen verkehrten Orten mit dem Staat, ratione status oder Staatssachen entschuldigt werden will“. Noch 1685 {Vorrede zu dem Christenstaat) erklärt er, der Gebrauch des Wortes Staat ekle ihn eigentlich an . . . Obwohl noch im 19. Jahrhundert auch fiir sog. liberale Vertreter der Staatsrechtslehre, wie z. B. J. K. Bluntschli, das Bediirfnis und sogar die Notwendigkeit der Umsetzung von theologischen Prmzipien in juristische Begriffe ihre Anziehungskraft und Faszination nicht verloren hatte,wurde schliel^lich gerade die Ambivalenz der dogmatischen Konstruktion, die rechtspolitische Funktion der Beibehaltung eines derartigen Doppelstaatsrechts in der jiingsten Staatsrechtslehre immer deutlicher unterstrichen: „Sein historischer Ursprung macht ihn immer wieder zu einem Ausdruck fur gewisse, gegen die positive Rechtsordnung gerichtete politische Postulate, die sich dennoch den Schein geltenden Rechtes geben wollen . . . Das ist es, was der Staatsrechtslehre den Charakter der Unaufrichtigkeit aufprägt: Ihr System, das sich als ein System des positiven Rechts und als solche freilich von jeder Politik verschieden und unabhängig erklart, hat eine Ffintertiire, die sich diese ,Wissenschaft‘ sorgfältig offenhält, umdurch sie eben jene ,Politik‘ wieder hereinzulassen. Die ,Pohtik‘ tritt einfach unter dem Namen des dem Recht entgegengesetzten „Staates“ oder „öffentlichen“ Interesses . . . « 23 « 25 Herrscher einen weiten Spielraum freien Ermessens, insbesondere auf dem Gebiete der aufieren Verwaltung erobern". H. Kelsen, a. a. O., S. 38. J. K. Bluntschli, La Politique, traduit de I’allemand et précédé d’une preface par Am. Armand de Riedmatten, Paris 1883, S. 156-157: „Mais Rousseau lui-meme avait compris que I’Etat, étre intelligent et moral, ne peut pas se passer de certains principes religieux primordiaux: „Les dogmes de la religion civile “ dit-il, „doivent étre simples, en petit nombre, énoncés avec précision, sans explication ni commentaire. L’existence de la Divinité, puissante, intelligente, bienfaisante, prévoyante et pourvoyante; la vie ä venir, le bonheur des justes, le chatiment des coupables, la sainteté du contrat social et des lois: voila les dogmes positifs." Samuel Puffendorff avait antérieurement formulé une exigence semblable, dans ce qu’il appelle „la religion naturelle" indispensable ä I’Etat. Tous deux cherchent ainsi ä donner satisfaction ä la nature religieuse de I’homme, ou plutot aux besoms religieux de PEtat, moins étendus que ceuz de I’individu." El. Kelsen, a. a. O., S. 138.

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