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166 MarieSandström Liicken des Gesetzes auszufiillen und damit das Gutdiinken des Richters auf ein Minimumzu beschränkend^ Allein durch die Systematisierung des rechtlichen Stoffes unter geeigneten allgemeinen Rechtsprinzipien ist es nach Nordlings Meinung iiberhaupt möglich, eine gute und sichere, d. h. voraussehbare und gleichförmige Rechtsanwendung zu garantieren. Die Fiirsprecher der Auffassung, dal^ das römische Recht als eine juristische Enzyklopädie aufgefaf^t werden soil, meinten folglich, daE die innere Logik des Rechts im römischen Recht wiederzufinden sei und daft die römischrechtlichen Studien entweder ausdriicklich oder in der Praxis den Kursus in juristischer Enzyklopädie ersetzen könnte.’^ Diese Auffassung hatte, meinte Nordling, wenigstens teilweise ihren Grund in der ausgeprägten Entwicklung des römischen Rechts. In einemorganischen Entwicklungsprozefi ist das römische Recht stufenweise von einer Sammlung relativ einfacher Vorschriften in „ein in den feinsten Details ausgebildetes Dogmensystem, ausgeftihrt mit einem seltenen Grad von Scharfsinn und mit besonderer Beachtung fast jeden menschlichen Bedurfnisses“ iibergegangen. Da diese Rechtsbildung imTakt mit dem geographischen Zuwachs des römischen Reiches stattfand, entstand ein „wirkliches Universalrecht“,'^ das die europäische Rechtsbildung lange nach dem Fall des römischen Reiches geprägt hat. Die Versuche, das römische Recht zu einer juristischen Enzyklopädie zu erheben, haben folglich eine lange Tradition. Es lag an der systematischen Form des römischen Rechts und an dem reichen Quellenmaterial, dafi die ersten rechtswissenschaftlich gebildeten Juristen einen Ausgangspunkt fiir die wissenschaftliche Bearbeitung des Rechts fanden. Von dieser Faszination angesichts einer hochentwickelten und systematischen Rechtsordnung war der Schritt nicht mehr weit, die römischen Rechtsgrundsätze als „unerläfiliche Rechtsprinzipien" aus der Schöpfung selbst aufzufassen. Im allgemeinen werden die naturrechtlichen Systematisierungsversuche von gerade dieser Tendenz bei den akademisch tätigen Juristen, die römischrechtlichen Grundsätze zu juristischen Axiomen zu erheben, geprägt. Entweder wurde das römische Recht ausdriicklich als ratio scripta dargestellt, oder es wurde in die Naturrechtslehren „hineingemogelt“. Durch den universellen Charakter des Naturrechts wurde die Stellung des römischen Rechts als ius commune weit iiber den faktischen Einflul^ auf die verschiedenen nationalen und positiven Rechtsordnungen hinaus gestärkt: Siehe a. a. O. S. 704. A. a. O. S. 705: „Somit hat das römische Recht entweder unmittelbar als juristische Enzyklopädie gedient, oder, wo eine besondere enzyklopädische Darstellung stattgefunden hat, sind ihre allgemeingiiltigen Sätze im allgemeinen ein Extrakt von Vorschriften des römischen Rechts gewesen." i** A. a. O. S. 705. A. a. O. ibidem. A. a. O. S. 706.

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