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Heinz Mohnhaupt 130 sprechung entwickelte Regeln zu beseitigen. Einfachheit und Einheitlichkeit waren die hauptsächlichen Ziele. Der sächsische Oberappellationsrat Kritz erkäuterte 1843 die Aufgabe der Rechtsprechung in diesemSinne: “Dass die Verworrenheit unsers Rechtszustandes beseitiget, Einfachheit an deren Stelle trete, ist ein gerechter Wunsch; die Praxis und zwar nur die Praxis ist ihn zu erfiillen im Stande, darum aber auch einzig und allein die Praxis berufen jene Einfachheit herzustellen; fähig ist sie der Grösse dieses Berufes zu entsprechen, sobald sie sich ihrer Macht und der Erfordernisse nicht plötzlich, wie durch einen Zauber, wohl aber mit unfehlbarer Sicherheit zumZiele fiihrenden stetigen Verfahrens klar bewusst werden will“/- Die Stimme dieses selbstbewuf^ten Vertreters der Rechtsprechung, der in deutlicher Anspielung auf Savignys . . Beruf unsrer Zeit fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ v’on 1814 nun diesem die „Grösse des Berufes“ der Rechtsprechung gegeniiberstellt, sab auch Aufgabe und Funktion der Rechtsprechung durch die Gesetzgebung und ihren Zustand definiert. Die fur die Rechtsprechung notwendigen Regeln wtirden durch „Partikulargesetzgebung oder durch den Gerichtsgebrauch"^^ geschaffen. Die Regel-Produktion der Rechtsprechung sah er in dem schon oben beschriebenen Verhältnis zur Gesetzgebung angelegt. Partikulargesetzgebung stehe zum „Gerichtsbrauch“ in einer „höchst wichtigen Beziehung“, die darin bestehe, daB die “Particulargesetzgebung Gefahr läuft das Bediirfniss nach neuen Rechtsregeln in dem Verhältnisse zu steigern, in welchcm sie demselben durch Creirung neuer Rechtsregeln abzuhelfen sucht . . . Eine Casuistik zum Objecte einer Norm machend, trägt sie die Schuld, dass die Norm, wo dieselbe zur Anwendung kommen soli, bald zu weit, bald nicht weitumfassend genug sein wird und so zwingt sie den Gerichtsbrauch den einmal eingeschlagenen casuistischen Weg weiter zu verfolgen . . ., kurz immer wieder neue Regeln zu bilden, . . . um wenigstens so viel möglich Ordnung herzustellen. « 74 In diesem Zusammenhang nannte Kritz die Gerichte und ihre Sachwalter die „Depositare der bereits geschaffenen Regeln“.^^ In diesem Sinne erzeuge jedes nicht aus dem “wahren . . . Bediirfnisse hervorgegangene Gesetz sehr bald das Bediirfniss nachtraglicher Regeln, die alsdann anderweitige Regelnachträge erzeugen, welchergestalt denn der Gerichtsbrauch, der das emzige hierzu taugliche Organ ist, indem kein anderes sich in der Lage sieht dem tagtaglichen Bediirfnisse in die Hand zu arbeiten, die Rechtsregeln in ungeheuer fortschreitender Progression vermehrt. « 76 P. 1.. Kritz, Ueber Gerichtsbrauch und iiber Literatur des Römischen Privatrechts in Beziehung auf neuere Behauptungen der sogenannten historischen Schule (Sammlung von Rechtsfallen und Entscheidungen derselben, ed. P.L. Kritz, 4. Band), Leipzig 1843, p. 323. Kritz, Gerichtsgebrauch (Anm. 72), p. 298. Kritz, Gerichtsgebrauch (Anm. 72), pp. 298 s. Kritz, Gerichtsgebrauch (Anm. 72), p. 308. Kritz, Gerichtsgebrauch (Anm. 72), pp. 311s.

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