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33 Solche „lettres de doléance“, mit denen er Strafurteile milderte, oder aber auch »lettres de répit ou de surséance",’^ mit denen er Zivilurteile, die nach den strengen Regeln des Römischen Rechtes gefällt worden waren, aber als unbillig empfunden wurden, entsprechend abänderte z.B., indemer „le bénéfice d’inventaire“ gewährte, also bei iiberschuldetemNachlafi zuliel?, dafi der Erbe ein Inventar aufstellte und daraufhin nur noch mit den in diesem Inventar enthaltenen Vermögensstiicken haftete.’^ Solche Lettres de Justice richteten sich also gegen rechtskräftige Urteile der Cours souveraine und wurden auf besondere requéte gewährt, der eine minutiöse Untersuchung folgte, so dafi hier kaumRaumfiir königliche Willkiir war. Dies war änders bei den Lettres de Cachet,mit denen der König in einem selbst unterzeichneten und von einem Secretaire d’État gegengezeichneten Brief, der durch ein Cachet aus Wachs verschlossen war, verschiedene Anordnungen treffen konnte. Möderne Historiker behalten die Bezeichnung Lettres de Cachet meistens einer besonderen Kategorie von königlichen Briefen vor, durch die der König in die Freiheit von Personen eingriff, indemer die Verhaftung oder Verbringung in ein Kloster befahl.^^ Sie heifien vielfach auch schlicht „ordres du roi“ und galten als besonders charakteristisch fiir den Absolutismus. Auch wenn die Forschung heute meint, dal? die meisten dieser „lettres de cachet“ im Interesse der Familien und auf deren Veranlassung erlassen wurden, blieb doch anstöfiig, dal? mit ihnen der König ohne ordentliches Gerichtsverfahren eine verdächtige Person wegen einer Straftat, die ihr nur vorgeworfen wurde, inhaftieren lassen konnte. Mit Hilfe solcher Lettres de cachets hat der König vielfach auch Richter einkerkern lassen. Als sich die Tore der königlichen Gefängnisse im Zuge der Revolution öffneten, kamen zahlreiche unschuldige Opfer solcher königlichen Haftbefehle zum Vorschein, die zwar eingekerkert worden waren, denen dann aber der Prozel? nicht gemacht worden war. Besonders zahlreich waren unter den Opfern Schriftsteller, die sich durch mil?liebige Publikationen in der Presse oder sonst das Mififallen des Königs und seines Hofes zugezogen hatten.Im18. Jahrhundert entfachten die Parlamente eine öffentliche Debatte gegen die lettres de cachet, die damit in den Augen der Öffentlichkeit als absolutistischer Mifibrauch diskreditiert wurden. Gegeniiber solchen als unkontrollierbar empfundenen Justizakten des Königs erschienen die Gerichte selbst als bessere Verwalter des Rechtes, wenn man sie nur unbeeinfluBt arbeiten liel?. Voraussetzung dafiir war die Unabsetzbarkeit der Richter, die 1567 schon einmal von König Ludwig 1. zugesichert worden Olivier-Martin (Anm. 50) S. 526. Olivier-Martin (Anm. 50) S. 526 Anm. 10. Olivier-Martin (Anm. 50) S. 520 f. Olivier-Martin (Anm. 50) S. 521. Olivier-Martin (Anm. 50) S. 522. Olivier-Martin (Anm. 50) S. 522. IOC 101 4

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