RS 15

83 Rechtssystem ein Teil der christlichen Ethik. Jede Rechtshandlung hatte in der zeitgenössischen Ansicht eine ethisch-ontische Bedeutung. Wenn wir diesen Zusammenhang einsähen, wiirden wir auch die geistige Debatte der Reformationszeit - ob es ethische, neutrale, Handlungen gibt - besser verstehen. Ethik, Recht und Anthropologie - die Lehre von demWesen des Menschen war eine unteilbare Einheit. Das zeitgenössische Strafrecht betont das auch. Bei den vorbereitenden Diskussionen zu der Gesetzgebung von 1734 heifit es, daB „alle Strafen cum recordatione imbecillitatis humanae zu bemessen seien”." Das ist ein deutlicher Hinweis auf die verheerende Wirkung des Siindenfalls auf das geistige Niveau und den Charakter des Menschen. Ferner mul^ das Gesetz einfach sein, man mufi es befolgen können, ohne dafi es zu groBe Anforderungen an den Menschen stellt, der den Wirkungen des Siindenfalls erliegt. Die Hauptforderung ist, dab „das Gesetz streng sein mub”. Es mub „streng und so bemessen sein, dab es grobe Verbrechen verhindert”. ,,So grob wie die Bosheit mub auch die Strafe sein”.'^ Die zur Ausarbeitung des neuen schwedischen Gesetzbuchs von 1734 einberufene Kommission vertritt mit diesen Ausfiihrungen ein moralistisches Strafrecht, das darauf abzielt, ein materielles ethisches Minimumzu garantieren. Auch der geheime Ausschub definiert dies als Aufgabe des Strafrechts und spricht im gleichen Atemzug von der Aufgabe des Staates, Gnaden zu verleihen. „Schande und Strafe” soil den „Mibratenen und Hinterlistigen” zuteil werden. In der Gesellschaft können mit den Mitteln des Strafrechts „Laster und Entartung merkbar bedeutend gedämpft und gehemmt werden”. Uberall in den Quellen jener Zeit begegnet uns diese Verkniipfungvon Lohn und Strafe als dem zweifachen Mittel des Fursten, ob es nun Werke fiber die Katechese oder Auberungen von Männern der sogenannten praktischen Politik sind.'"* Eine allgemeingiiltige Darstellung der Denkweise jener Zeit liegt uns mit der Rede des Obersten Lagercrantz vor dem schwedischen Adelsstånd im Jahre 1739 des Siindenfalls, weist er auf die Notwendigkeit von Lohn und Strafe hin, als Mittel im Dienst der sozialen, theozentrischen Ethik. ,,Strafe und Lohn” sagt Lagercrantz, „sind die beiden festen Pfeiler, auf die sich eine gliickliche Regierung griindet, und da wir alle von Natur böse sind und mehr oder weniger zum Bösen neigen, hake ich es fiir einen wesentlich geringeren Staatsfehler, das Gute zu vergessen und unbelohnt zu lassen, als wenn das Böse ungestraft verbliebe. Denn durch den ersteren Fehler wird das Gute nur Träger, aber durch Ausgehend von der verderbten Natur des Menschen, wegen vor. faciendum est ma.xime, nocendum minime fratri, § iuris praecepta. . . . Et hae sunt contractuum formulae, per quas exercemus mutuae charitatis officia, in pace et tranquillitate”. " Sjogren, W, Förarbetena till Sveriges rikes lag 1686-1736, Band VIII. Uppsala 1909, S. 61. '■ Sjögren a.A. Band II (1901) S. 93 (simplex), 104 (possibilitas), 238 (brevis), 91, 181, und Band Ill (1901) S. 246. SRA a.A. S. 312 f. '■* Paulinus Gothus, L. Ethicae Christianae, Partis secundae, tomus primus (1628) S. 600, passim.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=