RS 15

22 religiös-kultische Funktionen, Versammlung und Fest, Rechtssetzung im engeren Bereich, weitergehende soziale Fiirsorge, Aufgaben der Sozialisation — kann die Kommune dagegen schon wegen ihrer Gröfie nicht iibernehmen: sie bleiben also den innerstädtischen Gruppenbildungen (Gilden und Ziinften) weiter iiberlassen. Der grundlegende Wandel von der sog. ,,älteren” vorkommunalen zur ,,jungeren” Gildeformkann durch diese funktionale Analyse binreichend erklärt werden. Auch die, in der Stadtforschung nicht immer ganz klare Kontinuitätsfrage von Kaufmannsgilde zu städtischer Eidgenossenschaft löst sich in dieser Betrachtungsweise dergestalt auf, dal? soziale und rechtliche (weniger religiöse) Formelemente der älteren Kaufmannsgilde auf einen gröfieren, damit notwendig auch in vielem andersartigen Verband in kreativer Fortbildung iibertragen worden sind. Die Betrachtung der Verbandsformen, die ihre Gemeinsamkeiten und Bindungskräfte im wesentlichen aus ihrer kollektiven Binnenstruktur gewinnen, erfordert eine Ergänzung durch den Hinweis auf die Existenz von Gruppen, deren Gemeinsamkeit durch Herrschaft und Dienst, also gemeinsame vertikale Sozial- und Rechtsbeziehungen, begriindet sind,-^ so schon Gierke: ,,Herrschaftliche Genossenschaften”. Auch hier zeigt eine funktionale Betrachtungsweise, dal? in Folge der abgesicherten sozialen Stellung dieser Gruppen ein Antrieb zur Ausbildung engerer, eher genossenschaftlicher Verbandsformen nicht vorhanden ist. VI. Ergebnisse auf der theoretischen Ebene Der methodische Ertrag dieser Uberlegungen scheint mir imfolgenden zu liegen. Das Beobachtungsfeld sozialer Gruppenbildung fiihrt in eine Schicht der Gesellschaft, in welcher die Entwicklungen nicht primär von Akten einer Obrigkeit, von herrscherlicher oder staatlicher Rechtssetzung und auch nicht von der römisch-lateinischen ,,offiziellen” Rechtskultur bestimmt sind. Stattdessen sind es elementare Grundbediirfnisse und soziale Befindlichkeiten der betroffenen Bevölkerungsgruppen, die sich in Neubildungen und in den sozialen, mentalen und rechtlichen Formen, in die sie sich fassen, ausdriicken. Das schliel^t natiirlich nicht aus, da£ die mittelalterliche Herrenschicht durch Rechtsakte in diese Prozesse eingreift, sei es repressiv etwa durch Verbote von con)urationes, sei es fördernd, etwa durch Privilegienerteilungen an Kaufleute oder städtische Biirgerschaften. Imwesentlichen sind es aber die Auswirkungen elementarer gesellschaftlicher Prozesse, deren Beobachtung hier möglich ist. Das erlaubt es, das Verhältnis von Gesellschaft und Recht im Mittelalter in einem besonders interessanten Feld zu studieren. Dabei zeigt sich, dafi der aus der Rechtsordnung des modernen Staates abgeleitete Rechtsbegriff zur Erfassung ’’ Gerhard Dilcher, Die genossenschaftliche Struktur (Anm. 11).

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=