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15 diffenzierten, sozialen und juristischen historischen Begriffsapparates und eines spannungsreichen Problemverstandnisses. Erst nach Abklingen dieser Diskussion am Ende des 19. Jhdts. degenerierte der Gebrauch der entwickelten Begriffe zu einer positivistisch-eindimensionalen Verwendung von Worten wie Genossenschaft, Gilde, Zunft u.a., die sowohl deren dialektischen Spannungen zumhistorischen Umfeld der Quellenzeugnisse wie auch die erkenntnistheoretischen Spannungen zwischen Quellenbegriff und wissenschaftlichem Ordnungsbegriff weitgehend eliminierten. Das urspriingliche differenziertere Verständnis hat sich noch amstärksten in der rechtshistorischen Wissenschaftstradition (dargestellt vor allem an W. Ebel und K. S. Bader) erhalten; '■* wohl deshalb, weil die Rechtshistoriker sich am meisten der Herkunft aus den klassischen wissenschaftlichen Werken bewuBt waren und als Angehörige der Rechtswissenschaft von der juristischen Methode her gewohnt waren, das Verhältnis begrifflicher Normativität zu sozialer Vielfalt zu beachten. Dieser erste Durchgang meiner Arbeit klärt also in einem kurzen Aufrifi der Problem- und Forschungsgeschichte hermeneutische Probleme, die sich dem Bearbeiter der Thematik stellen. 2. Die zweite Ausfaltung der Problematik versucht, in einem diachronischen Durchschreiten, in einem vorwiegend kritischanalysierenden Vorgehen, eine Reihe von Quellen aus ihrem eigenen Kontext auf die Entwicklungslinie hin zu befragen.'^ Es ging also darum, mit der klassischen historischen Methode der Interpretation konkreter Quellenzeugnisse ein Bild der Entwicklungslinie von den vorkommunalen genossenschaftlichen Verbänden bis zu den in die Biirgergemeinde eingebetteten Gilden und Ziinften des 13. Jhdts. zu gewinnen. Es wurde dabei versucht, fiir eine jeweilige Phase besonders aussagestarke Quellen, unter Veranderung des örtlichen Beobachtungsfeldes, zu finden; natiirlich ist diese Auswahl einer gewissen „Willkur” des Autors, oder auch seinem Vorverständnis des geschilderten Entwicklungsprozesses, unterworfen. Doch bewährt sich hier die problemklärende Wirkung der traditionellen historischen Methode einer genauen Quelleninterpretation. a) Die ausfiihrlichste Quelle aus der Zeit bischöflicher Stadtherrschaft, das Hofrecht des kanonistisch gebildeten Bischofs Burchard von Worms um 1024,'^ enthält ausfiihrliche Aussagen iiber genossenschaftliche Gruppen zwischen Freiheit und Unfreiheit, weitgehend ohne Scheidung von Stadt und Land. Es handelt sich um ständisch sehr verschieden einzustufende Gruppen der bischöflichen familia, die durch persönlichen Status und Bodenbesitzrechte Ich beziehc niich dabei vor allem auf W. Ebel, Der Biirgereid (Anm. 5); ders., Die Willkiir. Eine Studie zu den Denkformen des älteren deutschen Rechts, Göttingen 1953. Karl S. Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde (Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes II, 1962). G. Dilcher, Die genossenschaftliche Struktur (Anm. 11), S. 76—80. a.a.O., S. 80 ff. Edition in; UB der Stadt Worms, hg. v. H. Boos, 1. Bd. 1886, Nr. 48; MGH Const. I Nr. 438.

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