RS 15

165 ihn gar nicht verwendende Kulturen aus. Die rechtlich-sozialen Strukturen formen sich fiir sie vielmehr aus dem Ensemble der vielfältig gestuften Rangverhältnisse. Statusverschiedenheit ist durchgängig soziales Ordnungsprinzip, Statusbewahrung oder Statusveränderung wesentliches Handlungsmotiv. Die Stellung des Einzelnen bzw. der verwandtschaftlichen und sonstigen Gruppen bestimmt sich mithin nicht durch die beiden Koordinaten ,,Gleichordnung im Volk” - ”Unterordnung unter eine Herrschaftsgewalt”, sondern bleibt nach mehreren Seiten hin relativ. Konstitutiv fur sie ist erst eine Mehrzahl von unterschiedlich gestuften Rangverhältnissen gegeniiber Machtigeren und Angeseheneren bis hin zum Stammeskönig und gegeniiber Schwächeren und Geringeren bis hin zu leistungsverpflichteten Abhängigen. — Dieses Modell läfit sich zweifellos nicht ohne eingehende Priifung und kaum ohne Abstrich aus demethnosoziologischen Diskussionszusammenhang fiir die germanische Altertumsforschung ubernehmen. Der Priifung wert scheint es aber zumindest zu sein, ob es nicht dazu beitragen kann, Denk- und Verhaltensweisen der germanischen Bauern- und Kriegerstämme - ebenso wie rezenter auBereuropäischer Stämme - unseremVerständnis besser zugänglich zu machen. 109 VI Nur unter einigen wenigen Aspekten konnte hier angedeutet werden, wie sich Rechtsgeschichte und Rechtsethnologie in der Aufgabe und in den Problemen einer Annäherung an ,,fremde” Kulturerscheinungen begegnen. In beiden Fächern geht der Forscher aus von eigenen Erfahrungen mit dem Recht als Erscheinung seines kulturellen Umfeldes und muB den Zugang zu Phänomenen suchen, die aufierhalb dieses Erfahrungsbereiches liegen (sei es in zeitlicher, räumlicher oder auch sozialer Hinsicht), die ihm aber mit seiner Rechtserfahrung vergleichbar erscheinen. Die Frage nach dem Verhältnis von Rechtsgeschichte und Rechtsethnologie bediirfte vertiefter Betrachtung in jeder ihrer Dimensionen, wissenschaftstheoretisch ebenso wie beispielsweise methodologisch oder wissenschaftsgeschichtlich. In letzterer Hinsicht ware - weit fiber die einleitend gegebenen Hinweise hinaus - zu fragen nach den Formen und Antrieben des Wandels der Forschungsinteressen und Fachrichtungen sowie der jeweiligen philosophisch-methodologischen Grundlagen in der Auseinandersetzung mit ,,fremden” Rechtserscheinungen. Diese Frage fiihrt beispielsweise 109 Die „Rang-Gescllscliah” der hier skizzierten ethnosoziologischen Konzeption läfit sich unter dem Statusgedanken partiell auch noch mit der alteuropäischen Ständegesellschaft des späteren Mittelalters vergleichen. Ein Unterschied liegt jedoch darin, da(5 der Status imKonzept der „RangGesellschaft” eine verhaltmsmailig variable und individuelle Gröfie bleibt (stark abhängig etwa von kriegerischem oder wirtschaftlichemErfolg und Mifierfolg, giinstigen Heiraten usw.), wahrend die rechtlichen Gruppenzuordnungen und die Absicherungen gegen Statusverschiebungen bei derartigen ,,Weehselfallen” in der alteuropaisehen Ständegesellschaft viel starker ausgeprägt sind.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=