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117 gischer Begriffe und traditioneller Metaphysik mit der Evolutionsidee als Dreingabe”.*^' Max Webers Ansatz der Unterscheidung und zugleich der Verkniipfung von ,Wissenschaft’ und ,Leben’ definiert die historische Erkenntnis von der Unendlichkeit ihres Beobachtungsfeldes und von der Unendlichkeit möglicher Fragestellungen. Dies nötigt ihn zur Preisgabe der Annahme von Objektivität im Sinne von absoluter Erkenntnis oder Abbildung der Wirklichkeit und zwingt ihn zu der Feststellung, dafi lebensmäfiige Wertsetzungen ftir die Konstituierung wissenschaftlicher Erkenntnis unabdingbar sind, weil nur durch sie ein Ausschnitt aus der Unendlichkeit möglicher Gegenstände erzielt werden kann. Wissenschaftliche Erkenntnis ist also notwendig ausschnitthaft und niemals universal oder absolut. Objektivität mufi deshalb anders bestimmt werden. Max Weber bestimmt sie als Reflexion iiber jene die Erkenntnis konstituierenden Wertsetzungen, er definiert sie als reflektierte, als bewufite Subjektivität. Es geht darum, in „intellektueller Rechtschaffenheit” sich und anderen Klarheit zu verschaffen und Rechenschaft zu geben iiber das eigene Tun.^^ ,,Selbstbesinnung” und ,,Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge” sind aufeinander zugeordnet und bedingen einander wechselseitig.^^ Diese Definition wissenschaftlicher Objektivität schlief^t zwar eine universale Kompetenz der Wissenschaft aus; diese wird der von ihr oft behaupteten Allmacht entkleidet; die beriihmte Devise ,Scientia est potentia’ wird verworfen. Dies bedeutet aber nicht den Verlust der Eigenständigkeit der Wissenschaft und ihrer Dignität. Gerade diese Erkenntnis der Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis soli vielmehr zur Wahrnehmung ihrer Dignität fiihren. Die Tragweite der Wissenschaft ist zwar begrenzt, darin aber begriindet und behauptet sie ihre Eigenständigkeit. Mit dieser Definition des Charakters moderner Wissenschaft hat Max Weber den wohl entscheidenden Beitrag zur Theorie der modernen Wissenschaft als Forschung geleistet.^"* Es ist eine Theorie der Forschung, die es erlaubt, die grossen Fragen der Geschichtswissenschaft zu diskutieren, ,,ohne von der Empirie einfach abzuheben, intellektuell spannend und empirisch diszipliniert zugleich, iiber weltanschauliche und politische Grenzen hinweg, aber ohne diese einzuebnen oder zu leugnen”.^^ Weber hat damit zugleich auch einen entscheidenden Beitrag geleistet zur Auseinandersetzung mit den Problemen des moderS. Kracaufr, Geschichte - Vor den letzten Dingen, 1969, S. 223 (gegen E. Troeltsch und gegen H. Rickert gerichtet, vgl. ebd. S. 281 1.). ’’ viFBER, Wissenschaft als Beruf, S. 608 und 613. Ebd. S. 609. Vgl. Ofxif (wie Anm. 62), S. 30 ff., 44 ff. Zu Webers Wissenschaftstheorie zuletzt P. Rossi, Max Weber und die Methodologie der Geschichts- und Sozialwissenschaften, in: Kocka (Hg.), Max Weber der Historiker, S. 28 ff. Kocka (wie Anni. 88), S. 10. Vgl. ders.. Max Webers Bedeutung fiir die Geschichtswissenschaft, ebd. S. 13 ff.

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