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ZuMFortwirkenvon Pufendorfs Naturrechts-Lehre 33 Die zwar noch wenig systematische, dennoch geordnete Einheit der Jurisprudenz lieB ein solches Verfahren angemessen, ja notwendig erscheinen. Der Jurisperitus hatte die Gesamtheit der Rechtswelt nicht nur im Blick zu haben, er muBte iiber sie lehrend wie schreibend auch verfiigen können, zumindest nach der Theorie.® Dennoch war es nicht nur diese bis zu einem gewissen Grad ausserliche Voraussetzung der „Rechtsgelahrtheit“ als einer einheitlichen Disziplin, daB das Naturrecht gelegentlich so schillernde Positionen annehmen konnte. Es muB an der Materie selbst, der Auffassung, die man von ihr hatte, ihrem Stellenwert innerhalb der juristischen Unterweisung mit gelegen haben, daB sie solcherart vielfältig erscheinen konnte. Im Umkreis des Privatrechts —das von Schmoller und Peter bezeichnenderweise nicht mit angefuhrt wurde — scheinen freilich solche „Schwankungen“ weniger kennzeichnend zu sein. Goings Feststellung, oder — um ein weiteres Beispiel anzufiihren — Thiemes älteren Ergebnisse können hier weitgehend als gesichert gelten. Da sind zwar ebenfalls begreiflicherweise Entwicklungsstufen, unterschiedliche Auslegungen bzw. Folgerungen festzustellen —am augenfälligsten naturgemäB bei Kodifikationsversuchen. Aber insgesamt darf gelten, daB naturrechtliche Theorien, insbesondere im Methodischen hier höchst gewichtig fiir die Fortentwicklung bestimmter Rechtsfiguren und Tatbestandsbeschreibungen waren." Freilich darf nicht iibersehen werden, daB es auf Reichsboden während des 18. Jahrhunderts eigentlich zu keiner nennenswerten Kodifikation gekommen war. (Die preuBischen und osterreichischen Bemiihungen können getrost der Zeit des Ubergangs zum neuen Jahrhundert zugerechnet werden!) Das nimmt umso mehr Wunder, begann doch der Siegzug des Naturrechts als juristischer Lehre bereits in der zweiten Flälfte des 17. Jahrhunderts. Nun, auch das ist bekannt und viel erörtert. Ich brauche das hier nicht weiter auszufuhren. Es spricht das, und deswegen ist es wichtig, dies erneut festzustellen, nicht gerade fiir eine starke normative Kraft dieser naturrechtlichen Lehre! Die ,.gewachsene“ —und in Augen Vieler dementsprechend ungeziigelt, vielfältig wuchernde —Ordnung behielt im allgemeinen die Oberhand im Reich. Herkommen, Gewohnheit, gutes altes Recht usf. bewiesen ein auBerordentliches Beharrungsvermögen. Die Zeitgenossen erkannten darin häufig gar eine Auszeichnung, einen Vorzug des Reichs, einen „rechtsstaatlichen“ Grundzug ihres Gemeinwesens. Es erschien ihnen “ Vgl. z.B. Christian Thomasius, Höchst-nötige Cautelen welche ein Studiosus Juris, der sich zur Erlernung der Rechts Gelahrtheit auff eine kluge und geschickte Weise vorbereiten will, zu beobachten hat, Halle 1710; Johann Jacob Moser, Aufrichtige Gedancken von dem Studio Juris junger Standes- und anderer Personen, Frankfurt a.M. 1736; Johann Adam Ickstatt, Meditationes Praeliminares de Studio Juris, Wurzburg 1731. ^ Vgl. dazu vor allcm die in Anm. 2 genannten Arbeiten Wesenbergs und Wieackers.

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