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Samuel Pufendorfs Naturrecht auch die Jurisprudenz iiber die Behandlung der speziellen biirgerlichen Gesetze hinausheben und zu einer allgemeinen und sicheren „scientia juris“ machen. Dazu bedarf es der Keniitnisse des Rechtslehrers und des Philosophen. Im Rahmen der hergebrachten Wissenschaften vom menschlichen Handeln in Gesellschaft, wir wiirden heute sagen imRahmen der Sozialwissenschaften, ist flir Pufendorf das Naturrecht die allgemeine Wissenschaft schlechthin und zwar in zweierlei Hinsicht. Das Naturrecht stellt fiir das soziale Handeln die grundlegenden Prinzipien auf, Es handelt von der allgemeinen Richtigkeit und Falschheit menschlicher Handlungen in Bezug auf das Naturgesetz und ist deshalb die Fundamentalwissenschaft sowohl zum speziellen Handeln des Menschen in bestimmten historischen Situationen und nach bestimmten theologischen Lehrsätzen, als auch zu jeder Art von Klugheitslehre. Auch in methodischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht ist das Naturrecht die allgemeine Wissenschaft. In der Vorrede zur „Eris scandica“ heiBt es: „Sicuti et methodi lex requirit, ut generalia praemittantur, sequantur specialia. Et uti Medicus dicitur incipere, ubi desinit Physicus, ita Theologus Moralis, et certae civitatis Jurisconsultus incipit, ubi Juris Universalis Doctor desinit.“ Das Naturrecht ist die allgemeine Wissenschaft, weil es der allgemeinen sichere Erkenntnis des ganzen Menschengeschlechts entspringt, die alle Menschen aus der bloBen Vernunft haben. Diese allgemeine Erkenntnis haben weder die Moraltheologie noch das römische Zivilrecht; sie können deshalb nicht das Fundament fiir die philosophia moralis und die Jurisprudenz abgeben. 23 V Die Entstehung des Naturrechts aus der praktischen Philosophie und die Tatsache, daB es sich dieser weiterhin zugehörig fiihlte, haben Griinde auch in der Entwicklung der traditionellen Philosophie. In ihr wurden im Laufe des 17. Jahrhunderts Tendenzen sichtbar, die mit denen des modernen Naturrechts, wie es Pufendorf vertritt, parallel laufen. Der Systemgedanke, der ein entscheidendes Agens der Entstehung des Naturrechts war, hat auch die traditionelle praktische Philosophie erfaBt. Dies zeigt sich daran, daB man, beeinfluBt durch den Ramismus®, Wert legt auf den logischen Aufbau der Werke, so daB der Inhalt in Schemata dargestellt werden kann, wie wir sie etwa bei Johann Heinrich Alsted und bei Johann Friedrich Horn finden.^® Deshalb kani Cellarius auch auf die Idee, ® Zum EinfluB des Ramismus vor allem auf die kalvinistischcn deuischcn Hochschulen neuerdings: Gerhard Menk, Die Hohe Schule Herborn in ihrer Friihzeit (1584—1660), Wiesbaden 1981, S. 199 ff. Alsted, Compendium lexici philosophici, Herborn 1626; Horn, Politicorum Pars

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