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Hans Thieme 2 Werke erstmals veröffentlicht und gegen scharfe Angriffe verteidigt hat, dabei die Unterstutzung des schwedischen Königs genieBend, ist eine Pflicht der Dankbarkeit und Anerkennung aus AnlaB der 350. Wiederkehr von Pufendorfs Geburtstag, zu deren Feier wir uns zusammengefunden haben. Schon amAnfang sei bemerkt, daB es dem Festredner, der diesen Gefiihlen Ausdruck geben darf, Freude bereitet, gerade als, ,engerer Landsmann* des Jubilars das Wort zu nehmen, als gebiirtiger Sachse, demmanche jener Orte, wo Pufendorf seine Jugendzeit verbrachte, Grimma, Leipzig und Jena aus eigenem Erleben wohl bekannt sind und der sich ihren Bewohnern auch heute noch verbunden fiihlt. Freilich wollen wir mit den anderen Vortragenden dieser Tagung nicht konkurrieren und noch weniger kollidieren, denn unter ihnen sind einige von ganz besonderer Kompetenz. Wir werden vielmehr nur versuchen, an Hand unseres Themas einige Gesichtspunkte zu erörtern, die mit dem, was in jenen Referaten behandelt wird, wahrscheinlich nur wenig zu tun haben, dafiir aber die Gegenwartsnähe mancher Gedanken von Pufendorf darlegen sollen. Damit möchten wir erweisen, warumwir ihmzu Dank verpflichtet sind und weshalb er auch heute noch mitten unter uns ist. So lassen Sie uns beginnen mit einer Betrachtung iiber ,Naturrecht heute', worauf ein zweiter Abschnitt zur ,Methodenlehre‘, ein dritter zum,0ffentlichen Recht' und ein vierter zum ,Privatrecht‘ folgt, bis wir dann am ,SchluB‘ ein Fazit ziehen. 1. Naturrecht heute Hat das Naturrecht heute noch irgend eine Chance? ,Der Traumdes Naturrechts ist ausgetraumt' —so lautete der Schlachtruf, als wir in den heute so genannten ,goldenen zwanziger Jahren' studierten. Aber unter dem Eindruck des zweiten Weltkriegs, all’ des Furchtbaren und Verbrecherischen, was sich vor, wahrend und nach demselben ereignet hat, änderte sich diese Betrachtungsweise: man sprach nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland sondern auch in anderen Ländern von einer ,Renaissance des Naturrechts', und hoch geachtete Rechtspraktiker, so etwa Präsident Hermann Weinkauff vom deutschen Bundesgerichtshof in Karlsruhe oder die Bundesverfassungsrichter Willi Geiger und Gerhard Leibholz folgten dieser Devise ebenso, wie angesehene Gelehrte, zum Beispiel Gustav Radbruch.^ Ein ,naturrechtlicher Kern', so sagte Leibholz, sei bei jedemWandel 2 Ober Radbruchs Haltung zum Naturrecht bzw. zum ,ubergesetzlichen Recht' vgl. die Einleitung Erik Wolfs zu Radbruchs Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1950, die Gedachtnisschrift fiir Gustav Radbruch, Göttingen 1968 sowie Fritz v. Hippel, Gustav Radbruch als rechtsphilosophischer Denker, Heidelberg 1951.

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