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PUFENDORFS AuSSTRAHLUNG 109 gewiesen wurde®® —, unter dem Titel „A Vindication of the Government of New England Churches", eine Schrift, die versucht unter Pufendorfs Einfluss und mit ausdriicklicher Berufung auf den sachsischen Rechtsgelehrten, die demokratische Struktur der Kirchenverfassung zu verteidigen.®^ Dem letzteren, James Otis (1725—1783) — einem der geistigen Fiihrer der amerikanischen Revolution —sind einflussreiche Kampschriften zuzuschreiben wie „The Rights of the British Colonies asserted and proved" aus dem Jahre 1764, worin Pufendorf neben Grotius und Locke als Autorität ausdriicklich erwahnt und zitiert wird, um die Rechte der Kolonien zu unterstiitzen.®® Wir möchten uns nun mit der bisher wenig beachteten Frage nach dem materiellen Einfluss Pufendorfs auf die Sozialphilosophie und die Jurisprudenz der französischen und der englischen Kulturwelt der gleichen Zeit befassen. Somit gelangen wir endlich zu den beweiskräftigen Spuren seiner Ausstrahlung, die entweder aus der wörtlichen tJbernahme seines Gedankengutes oder aus der materiellen Kongruenz von den Lehren und den Schliisselbegriffen der Denker der Zeit mit seinen Lehren und Ffauptbegriffen hervorgehen. Aus Zeitgriinden werden wir uns dabei auf die angefiihrten Grundprobleme der Staatsphilosophie beschränken, Auf diesem Gebiet scheint uns Pufendorf eine weit tiefere Einwirkung auf die englische und die französische Literatur gehabt zu haben als es ublicherweise angenommen wird. Unterzieht man diese Literatur einer eingehenderen Priifung, so ergibt sich daraus, dass Pufendorf die Hauptlehren sowie die Schliisselbegriffe der Allgemeinen Staatslehre von bedeutenden Philosophen und Rechtsgelehrten tief beeinflusst hat. Was zuerst die Lehre vom Naturzustand angeht, so spurt man den deutlichen Einfluss Pufendorfs auf so verschiedene Rechts-, Staats- und Sozialphilosophen wie Locke und Burlamaqui, Rousseau und Vattel, endlich Diderot und Blackstone. Dieser Einfluss wird zunächst in der methodischen Funktion spiirbar, die dem Naturzustand als gedanklicher Fiktion zukommt. So aussert sich Rousseau in seinem „Discours sur I’Origine de Vgl. H. Welzel, Ein Kapitel aus der Geschichte der amerikanischen Erklarung der Menschenrechte, (John Wise und Samuel Pufendorf) in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift fiir Rudolf Smend, Göttingen 1952, S. 387—411. Vgl. H. Welzel, Op.cit., loc.cit., der John Wises Schrift im Urtext ab S. 394 teilweise veröffentlicht. Vgl. J. Otis, The Rights of the British Colonies asserted and proved, Boston 1764, in: The University of Missouri Studies, A Quarterly of Research, Bd. 4, 1929, Nr 3, S. 45—91. Uber J. Otis, siehe auch E. Rcibstein, Volkssouveränität und Frciheitsrechte, Text und Studien zur politischen Theorie des 14.—18. Jahrhunderts, hrsg. v. C. Schott, Freiburg—Miinchen 1972, Bd. 2, S. 302 ff. 6G

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