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62 schaften nach Freiheit von äufieren Zwecksetzungen bedeutete. Durch die Konstruktion des absoluten Vernunftsstandpunktes wurde der erkenntnistheoretische Akzent von der meist allgemeinen und abstrakten Erkenntniseinheit hinwegverlegt. Auch der reinen Empirie gelang es nicht, eine zentrale Position imErkenntnisprozefi einzunehmen. Die produktive Einheit des Wissens wurde statt dessen von der Synthese zwischen der einheitschaffenden Kraft der Vernunft und dem Stoff - dem sowohl realen wie idealen d.h. demAusdruck, gebildet. Das Streben aller Wesen einen objektiven Ausdruck in der Natur zu finden, resultierte in der Schöpfung einer Vielzahl äufierer Organismen, die alle auf ihre besondere Weise die Einheit, aus der sie hervorgegangen waren, ausdriickten und realisierten. Die Ausdruckskraft der Vernunft wurde direkt in der philosophisch bestimmten Idee, dem Produkt der Dialektik zwischen dem philosophisch Verbindenden und dem historisch Abgrenzenden, objektiviert. Die einzelnen Ideen, die den wissenschaftlichen Grund einer jeden Objektwissenschaft konstituieren und durch die alle Disziplinen an das Urwissen grenzen, wurden von der kantianischen Vernunft als fremde Zielsetzungen angesehen. Das sachliche Element, das die Abgrenzung der einzelnen Wissenschaften zur Aufgabe hatte, konnte angesichts der kritischen Vernunft nur eine regulative Funktion innehaben. Erst durch Schellings Grofitat, das erkenntnistheoretische Interesse von der abstrakten Bestimmung der Erkenntnis durch die Philosophie auf die konkrete Spiegelung dieser Einheit durch die realen Wissenschaften zu verschieben, wurde die Durchfiihrungvon Kants Aufforderung, die Grenzen der einzelnen Wissenschaften zu bewahren,’^^ ermöglicht. Die Vernunft hatte ein Werkzeug bekommen - „das Besondere" - mit dem sie den Bereich in der Erkenntnis zu bestimmen vermochte, der ganz von den Forderungen der Spezialwissenschaftlichkeit kontrolliert werden konnte. Damit war es möglich, die Grenzen der verschiedenen Erkenntnisarten und deren Ordnung zueinander, sowohl wissenschaftlich als auch sachgemäfi, zu bestimmen. Umdie objektbestimmten Disziplinen mit wissenschaftlicher Formzu versehen, war es notwendig, einen Wissenschaftsbegriff zu konstruieren, der sowohl die organische als auch die vernunftsgemässe Freiheitsbestimmung umfafite. Die dialektische Relation, die Schellings Konstruktion des groften Systems der Wissenschaft zugrunde lag, bekam damit notwendigerweise einen organischen - „lebenden“ — Charakter.'^^ Typisch fiir die organische Systematik ist nämlich, daft das Interesse auf die Zwischenkategorien fokussiert wird. Siehe Kant, Krittk der reinen Vemunft, S. 16: „Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaft, wenn man ihre Grenzen in einander laufen laist . . AaO. S. 230: „Die aufiere Vollständigkeit bringt noch keineswegs das wahre organische (Gesammt-) Leben aller Theile des Wissens hers'or. Hiezu bedarf es des (Lebensprincips des) gemeinschaftlichen Geistes, der aus der absoluten ^'issenschaft kommt, von der die einzelnen Wissenschaften die Werkzeuge oder die objektive reale Seite seyn sollen". 196

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