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22 halb der empirischen Grenzen ihres Faches liegenden Grund. Die Tätigkeit, die innerhalb der Disziplin ausgeiibt wird, wird deswegen nach dem gröfieren oder kleineren Nutzen, der sie fiir äuEere und praktische Zwecke erfiillt, bewertet. Der Vernunftsstandpunkt der kopernikanischen Wende kann, von seinen eigenen Voraussetzungen her, nicht anders gedeutet werden, als dafi er eine unzulängliche Emanzipation der produktiven Kraft der Vernunft darstellt. Die kantianische Vernunft „wagt“ die Grenze fiir die reine Erfahrungserkenntnis nicht zu iiberschreiten und dies hat zur Konsequenz, dafi die Vernunft in der Praxis gezwungen wird, ihre eigene historische Freiheit aufzuheben: die Freiheit, in der Objektwelt ihre Eigenart materiell auszudrticken, oder mit anderen Worten, in freiemHandeln ihren Willen auszufiihren. Die bloB kritische Vernunft vermochte nur rein empirische Naturnotwendigkeit aufzufassen und zu produzieren, eine Tätigkeit, die wie Kant selbst meinte, der Argumentation der freien Wissenschaft direkt entgegengesetzt war. Dieser Widerspruch in dem reflexionsphilosophischen Vernunftsstandpunkt war ein Ausdruck fiir den Gharakter des kantianischen Wissenschaftsbegriffes. Die kritische Vernunft wagte nicht, sich in historisch-materieller Handlung auszudriicken; dadurch herrschte im groBen System der Wissenschaft ein grundlegender Gegensatz zwischen dem wissenschaftlichen Handeln — dem Streben nach dem vollkommenen Ausdruck eines Ideals — und der rein theoretischen Bestimmung des Zwecks der Wissenschaft. Es war offensichtlich nicht Kants Absicht, mit der durch die kopernikanische Wende verursachten Revolution des philosophischen Denkens, eine Relation zwischen Wissenschaft und Handlung zu schaffen, und damit den historischen Wissenschaften einen wissenschaftlichen Grund zu verleihen. Es war das ausschlieBliche Ziel der Vernunftskritik, durch die Konstruktion des Begriffs der freien Wissenschaft, der Metaphysik einen neuen und unerschiitterlichen Grund zu geben. Die freie Wissenschaft wurde in einer statischen Vernunft begriindet, der, ohne Fähigkeit irgendeine Formvon objektiver Erkenntnis zu reproduzieren, die Möglichkeit fehlte, die Reichweite ihrer produktiven Kraft zu vergröBern. Der kantianische Wissenschaftsbegriff fiihrte in Konsequenz mit dieser Vernunftsbestimmung zu einer Tätigkeit, die seit der kopernikanischen Wende als durch die formelle Einheit der Wissenschaftlichkeit endgiiltig bestimmt angesehen werden muBte. DaB die Logik kein Vorbild fiir das Vorwärtsschreiten auf dem sicheren Weg der Wissenschaft sein konnte, ist sicherlich nicht erstaunlich. Kant konstatierte lediglich, daB die Logik seit Aristoteles weder einen Schritt riickwärts noch, in dieser Hinsicht, einen Schritt vorwärts gegangen war, denn die Logik war seit Kant, Kritik der remen Vernunft, S. 26: „dass der Nutzen davon doch nur negativ sei, uns nämlich mit der speculativen Vernunft niemals iiber die Erfahrungsgrenze hinaus zu wagen . .

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