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15 Der Begriff der freien Wissenschaft war die vorderste Konsequenz von Kants Revolution der philosophischen Reflexion. Die emanzipierte Vernunft hatte es durch die Bestimmung ihrer eigenen Besonderheit vermocht, eine philosophisch notwendige Bestimmung des Endzieles und Wesens der Wissenschaft, deren Zweck, zu konstruieren. Diese Definition der Wissenschaft an sich als ein einheitlicher und abgrenzbarer systematischer Zusammenhang — „Umrifi und . . . Gliederbau" der Erkenntnis — war ein Ergebnis der Befreiung der produktiven Kraft der Erkenntnis. Hierdurch wurde die Wissenschaft als der Bereich aufgefafit, innerhalb dessen nur der Argumentationsgrund „Forderungen der Wissenschaft'' die Tätigkeit der philosophischen Disziplinen den sicheren Weg der Wissenschaft entlang steuern durfte. Die Befreiung des Erkenntnissubjekts aus der Zwangsjacke der Objektwelt bedeutete auf die Metaphysik bezogen, dafi sie darauf eingeschränkt wurde, nur noch die Erkenntnis der Vernunft iiber die transzendentalen Denkkategorien, die deren produktive, einheitschaffende Fähigkeit prägten, zu umfassen. Die Metaphysik war die Wissenschaft, „. . . wo also die Vernunft selbst ihr eigener Schiiler sein soll.“^^ Diese Abgrenzung des Bereichs der Metaphysik war, nach Kants Auffassung, eine notwendige Folge der Konzeption der freien Vernunft. Die philosophische Reflexion mufite, um ihre theoretische Freiheit zu bewahren, alle Anspriiche darauf aufgeben, die Fähigkeit in die innere Einheit der Objektswelt einzudringen, innezuhaben. Folglich mufite alle Objekterkenntnis aus dem Bereich der Disziplin ausgeschlossen werden. In Kants reflexionsphilosophischemVernunftsstandpunkt herrschte ein ausgesprochener Gegensatz zwischen der einheitschaffenden Kraft der befreiten Vernunft und dem teleologischen Wesen des Gegenstandes. Die Erkenntnis konnte, nach Kant, nur einen Grund haben und der Gedanke an einen philosophisch bestimmten Gegenstand war damit der produktiven Tätigkeit der freien Vernunft direkt entgegengesetzt. Das Subjekt schuf sein eigenes Objekt imErkenntnisakt und konnte damit nicht, ohne diese Freiheit aufzugeben, danach streben, die apriorische Einheit in der Ordnung der Dinge zu erfassen; denn . . was wir als die veränderte Methode der Denkungsart annehmen, dal? wir nämlich von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen“.^^ Es ist offenbar, dal? die schulphilosophischen Sätze aus diesem Blickwinkel nur als vermeintlich notwendige aufgefal?t werden mul?ten. Da der Gegenstand den Grund fiir die Erkenntnis bilden mul?te, obwohl die freie Vernunft diesen als unerfal?bar aus der wissenschaftlichen Argumentation ausgemustert hatte, fiihrte dies zu philosophischer Reflexion „unter blol?en Begriffen".^"* Nur durch eine Relativierung von der Objektwelt zur einheitschaffenden Kraft der Vernunft - durch die Vernunftskritik - wurden alle Ausdriicke fiir äul?ere »• Kant, aaO. S. 20. ” AaO. S. 22. '■* AaO. S. 20, siehe auch S. 33.

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