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158 konnte nach Savignys Auffassung, keinen deutlicheren Ausdruck bekommen als der Effekt der Kodifikation auf das rechtliche Studium haben wiirde. Das Nichtvorhandensein einer ideellen Einheit im Recht hatte zu einem chaotischen und uniibersichtlichen Rechtssystem gefiihrt. Eine Situation war aufgekommen, in der die Forderung auf Kodifikation Widerhall weckte. Die Auffassung, daf? die Kodifikation die Rechtswissenschaft als einheitschaffende Kraft des Rechts ersetzen könnte, machte eine gegen Savignys Vorstellung ganz gegensätzliche Idee aus. Nach Savigny wiirde dies bedeuten, dafi alle Einheit im Rechtsleben durch äufieren Zwang, durch Willkiir eines Gesetzgebers, anstatt durch rechtswissenschaftliche Notwendigkeit hervorgebracht wiirde. Eine Kodifikation des deutschen Rechts wiirde damit endgiiltig das rechtswissenschaftliche Streben nach Selbständigkeit vernichten und zur Folge haben, dafi die juristische Tätigkeit zu einem simplen Handwerk reduziert wiirde - flach und kunstlos. Die vornehmste Aufgabe der Rechtswissenschaftler wiirde danach das Verfassen von Kompendien und Flandbiichern fiir die Juristenausbildung werden, in denen dieJuristen ein Aggregat nach äufieren, z.B. didaktischen Zwecken zu konstruieren versuchten, um das Einholen einzelner Rechtsregeln zu erleichtern. Die juristische Ausbildung wiirde auf das blofie Lernen von Rechtsregeln eingeschränkt werden und, alien wissenschaftlichen Strebens beraubt, nach vielfältigen Utilitätsriicksichten erfolgen. Einer auf diese Weise unbestimmten Tätigkeit fehlte, nach Savigny, ein innerer Grund fiir Einigkeit und Fortschritt. Die rechtswissenschaftliche Tätigkeit wurde aus diesem Anlaf? von ständigen Anomalien gequält, die ihren Ausdruck in unlösbaren und bitteren Streitigkeiten bekamen. Um diese Entwicklung zu vermeiden, war es erforderlich, die Ausbildung der Juristen zu reformieren, denn nur wissenschaftlich gebildeteJuristen waren in der Lage, die Rechtswissenschaft nach ihren eigenen Gesetzen zu betreiben und dadurch der wissenschaftlich rechtsbildenden Kraft ihre rechtmäfiige Position in der Gesellschaft zu sichern. Die Bildung wurde auf diese Weise das vornehmste Mittel umden wissenschaftlichen Standard in den einzelnen Disziphnen zu verteidigen und zu garantieren. Umzu vermeiden, dafi das Recht nach äufteren Zwecken durch Kodifikation entwickelt wurde, war es folglich notwendig, den wissenschaftlichen Standard der Rechtswissenschaft durch eine Reformation der Juristenausbildung zu erhöhen. In der Auffassung, die Juristenausbildung zu einem Werkzeug zu gestalten, um das wissenschaftliche Niveau der Rechtswissenschaften zu erhöhen, ging auch die Forderung ein, daft es möglich sein sollte, die Kriterien einer wissenschaftlichen Bildung mit der Forderung, die das praktische Berufsleben an die Juristen stellte, zu vereinen. Das wahre und natiirliche Verhältnis zwischen den zwei selbständigen und charakterischen Offenbarungsformen des Rechts: das 120 AaO. S. 90.

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