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141 viduellen Bestimmungen auf dem wissenschaftlichen Gebiet und die Konstruktion des Allgemeinen, als eine an sich von dem Besondercn abstrahierte Einheit, entsprach ganz dem Unvermögen Kants, und vor allem dem der kantianischen Juristen, einen Weg von dem Allgemeinen — dem Zweck der Vernunft — zu der besonderen objektbestimmten Wesenseinheit zu finden. Die kantianische Vernunft strebte explizit danach, alle Spuren von Wesensmetaphysik aus der wissenschaftlichen Argumentation zu tilgen. Das resultierte zwar in einer exklusiv einheitschaffenden Bestimmung, aber gleichzeitig schlof^ das systematische Verfahren alle anderen objektiven Bestimmungen aus dem wissenschaftlichen Gebiet aus. Die juristische Darstellungsformdieses Systemansatzes bezeichnete Savigny als einen Versuch, der buchstäblich fiber dem wahren Niveau des rechtlichen Systems lag: „Versuche, die sich iiber das wahre Systemerheben, d.h. die mehr oder weniger eine Einheit zu bewirken streben, in der aber das Mannigfaltige, fchlt, es sind die, welche untreu arbeiten. Man nennt solche Arbeiter gewöhnlich philosophischeJuristen . . . Die Art, wie die Kantianer einseitig den Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Argumentation auf das meist Allgemeine legten, erhielt nach Savigny ihren Ausdruck in einer statischen und tötenden philosophischen Abstraktion. Die philosophischen - und ubrigen „unhistorischen“ -Juristen, die „einer bloBen Abstraktion zu Gefallen“ und „allein den Anspriichen der Vernunft Geniige leisten'',**' versuchten eine Art Abtrennung von dem, durch die organische Einheit gegebenen, historischen Stoff zu finden. Dieser Ausgangspunkt konnte nur zum Aufkommen einer Wissenschaft, abstrahiert von ihrem Objekt und zu einer wissenschaftlichen Systematik, wormdas Besondere, das das lebende Element der Wissenschaft ausmachte fehlte, fiihren. Der kantianischen Wissenschaft mangelte ein auf diese Weise gegebener historischer Stoff und damit auch ein bestimmter Inhalt. Es waren, nach Savigny, erst die nachkantianischen Idealisten, vorderst der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, welche durch Kritik der kritischen Vernunft und deren mangelnder wissenschaftstheoretischer Freiheit, in der Lage waren, den ersten Schritt zu einer philosophisch begrfindeten positiven Rechtslehre zu tun. Der wesensmetaphysische Standpunkt hatte es nicht vermocht einen philosophischen Grund fur die positive Rechtslehre zu schaffen, da ihm eine eigentliche Bestimmung der Eigenart der Wissenschaft fehlte. Kant war, in seinen Versuchen der Metaphysik eine wissenschaftliche Form zu geben, gezwungen, die Wissenschaftlichkeit und Freiheit der objektgeprägten Wissenschaften aufzugeben. Die Konstruktion einer absolut freien Vernunft mit der Fähigkeit auf Grund einer postulierten Einheit zwischen Subjekt und Objekt in der Wissenschaft auch materiell produktiv zu sein, legte den philosophi- ''' Juristische Methodcnlchrc, S. 36. Vom Beruf, S. 112 och S. 113. " 81

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