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139 bar zur Krankheit, ja vielleicht sogar zumtotalen Einschlafen. Dieses wahrhaftige Verhalten zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen bestand folglich aus einer durchgehenden organischen Natureinheit. Das Allgemeine und das Besondere mu£te sich so untereinander verhalten wie die Relation, die zwischen einem Geschlecht und einer spezifischen Art herrscht, oder wie ein Individuum sich zu seiner Art verhält. Die besonderen Einheiten werden von der höchsten Bestimmung zu einer allgemeinen Einheit - einer Nation, einem Geschlecht, einer Familie - vollständig zusammengeschlossen. Diese Ganzheit verhält sich wiederumauf eine bestimmte Weise zu der Reihe besonderer Einheiten, den Individuen, die deren materiellen Inhalt ausmachen. Die Wichtigkeit, daft das Gleichgewicht in den organischen Relationen beibehalten wird, tritt mit besonderer Deutlichkeit im Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen in den philosophisch notwendigen Wissenschaften zu Tage. Das Einzelne als wissenstheoretisches Element befindet sich systematisch in der Mitte zwischen zwei qualitativ unterschiedlichen Kategorien, und zwar zwischen dem indifferenten Stoff — damit ist der Stoff gemeint, der keinen Organisierungsprozeft durchgemacht hat und damit nicht in der Lage ist, seine innere Einheit auszudriicken — und der höchsten, aber damit nur angenommenen und abstrakten Einheit der Wissenschaft. Die von der Vernunft zuletzt, als notwendig fur den Gedanken an die Möglichkeit des Wissens iiberhaupt postulierte allgemeine Wissenschaftseinheit ist, und sie muft es auch sein, ein archimedischer Punkt. Ein solcher Punkt muft natiirlich statisch - keinen Zeit- und Raumkategorien unterworfen— angenommen werden. Der reinen Mannigfaltigkeit in sich fehlt jede Bestimmung. Der Stoff kann somit auch keinen selbstandigen organischen oder dynamischen Charakter haben. Die reine Vielfalt und die höchste abstrakte Einheit sind, um Savignys Worte zu benutzen, tot. Es ist lediglich das Wesen der Sache, das den lebenden organischen Ausdruck in der Vielfalt des Stoffes hervorbringen kann. Nur die Natur kann die systematischen Zwischenkategorien darstellen, die sowohl als Mittel als auch Zweck - die ideelle Realisierung der Einheit in zeitliche und räumliche Kategorien - aufgefaftt werden können und miissen. Umdiese Systemkategorien, die das lebende Element der Wissenschaft ausmachen, zu verteidigen, ist das Gleichgewicht zwischen der organisierten Ganzheit und absoluter Selbständigkeit des Teiles eine notwendige Voraussetzung, denn: „In jedemorganischen Wesen . . . beruht die Gesundheit darauf, daft beides, das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht stehe, daft jedem sein Recht widerfahre [sonst] unnatiirlich und krankhaft Aber eben so kann die lebendige Liebe zum Ganzen bios aus der lebendigen Theilnahme an alien einzelnen Verhältnissen hervorgehen . . . Darum ist es ein Irrthum, zu glauben, das Allgemeine werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung aller individuellen Verhältnisse. Könnte ein eigenthiimliches Selbstgefiihl erzeugt werden, so wiirde aus diesem erhöhten und vervielfältigten mdividuellen Leben auch das Ganze neue Kraft gewinnen. S.ivigny, \'om Beruf, S. 25. “ 76

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