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117 keit vomdemblofien Niveau des Stoffsammelns zu einer Behandlung nach innerer Notwendigkeit iibergegangen. Die Systematisierung des Stoffes setzte notwendigerweise einen höchsten selbständigen wissenschaftlichen Standpunkt voraus, ein Ideal, das die Wirksamkeit mit der Eigenart der Wissenschaft prägt. Jeder Wissenschaftler mufite, mit Savignys Worten, in der Lage sein, ,,eine Wissenschaft nach den eigenen Gesetzen ihrer Natur vollendet denken, oder ein Ideal von ihr".’*’ Alles Systemdenken fiihrte damit, nach Savigny, notwendigerweise zu einer Definition der Philosophie als allgemeine Aufgabe der Wissenschaft, das bedeutet, zur Wissenschaft an sich. Nur in dem Mafi wiirde die Jurisprudenz ihre wissenschaftliche Freiheit, in welcher die Vernunft iiber ihr Material ,,sehr Herr geworden seyn“,^° verdienen, mufite die Disziplin als direkt an die Philosophie angrenzend aufgefafit werden und sich von dieser Bestimmung durchdringen lassen. Die Rechtswissenschaft mufite folglich, meinte Savigny, in sich eine philosophische Wissenschaft sein, denn nur in der allgemeinen Bestimmung der Wissenschaft kann sich die akademische Methode, deren Selektivität die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Tätigkeiten von äufieremEinflufi garantieren soil, grunden. Dieser Versuch, die freie Wissenschaftlichkeit der Metaphysik auf die rechtswissenschaftlichen Tätigkeit zu applizieren, setzt voraus, dafi die erkenntnistheoretische Position eine wissenschaftliche Behandlung des juristischen Stoffes möglich macht - dies war jedoch mit Kants bloB kritischem Vernunftsstandpunkt nicht der Fall. Die klassische römische Rechtswissenschaft war, nach Savignys Meinung, in der Lage, ihren Stoff sowohl mit Meisterschaft als auch Freiheit zu behandeln. Die wissenschaftliche Behandlung des juristischen Stoffes hatte während dieser Periode die einheitschaffende und entfaltende Kraft des Rechts ausgemacht; der römischen Rechtswissenschaft war es gelungen, ihr Objekt frei aus dem juristischen Material zu schaffen. Dies — dafi die Wissenschaft durch ihre ideelle einheitschaffende Kraft die Materie beherrscht - macht das eigentliche Kriterium einer freien Wissenschaft aus. Damit die deutsche Rechtswissenschaft als eine freie und unabhängige Wissenschaft aufgefal?t werden sollte, und sich selbst auffabt, mufite sie somit in der Lage sein, ihr eigenes Objekt zu schaffen - das heifit, rechtsbildend zu wirken.^’ Savigny, Juristischc MethoJertlehre, S. 11. Siehe Riickert, Joachim, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, S. 320. Voni Beruf, S. 76. " Siehe aaO. S. 28 t. und S. 81; „Ist einmal Rechtswissenschaft auf die hier beschriebene Weise Gemeingut der Juristen geworden, so haben wir in dem Stand der Juristen wiederum ein Subject fiir lebendiges Gewohnheitsrecht, als fur wahren Fortschritt, gewonnen". Die freie, menschliche Vernunft mu(5 von diesem Standpunkt aus gesetzgebend sein - dies machte den Sinn des gesetzlichen Fakultätenstreits aus -, um zu ermöglichen, dafi die Erkenntnis die äufieren Insignien der Wissenschaft — Einigkeit und Fortschritt - aufzeige. Auf dieselbe Weise mufi die Rechtswissenschaft eine auf Grund des eigentlich gelehrten Elements kontinuierliche Entwicklung von demGe-

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