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Ill wiirden nach Savignys Auffassung lediglich nur die Situation der Rechtswissenschaft verschlechtern. Dadurch wiirde nämlich die wissenschaftliche Tätigkeit mit noch mehr Stoff, den diese nicht zu beherrschen vermochte, belastet. Im schlimmsten Fall konnte dieses bedeuten, dafi alle Bemiihungen in Richtung einer wissenschaftlichen Einheit in der Materie verloren gingd* Dafi der empirische Stoff als methodologisch indifferent aufgefafit wurde, hatte auch zur Folge, dal? kein besonderer Zweck, oder ein aus einem derartigen Zweck abgeleitetes System mehr Stiitze des Stoffes als irgendeine andere logisch mögliche Struktur gehabt hätte. Damit lösten sich die unterschiedlichen Systemauffassungen einander in dem Takt ab, als die zufälligen Zwecke oder Interessen, die eine gegebene Struktur förderten, an Stärke gewannen oder verloren. Aufierdemwar es möglich, daft eine bereits iiberwundene Systemauffassung, ganz oder teilweise, sich in der Vielfalt des Stoffes verbargen und danach in die erneuten Versuche, eine Struktur des Wissens entsprechend anderer Ziele zu konstruieren, eingingen.'^ Das waren die durch die historische Entwicklung angehäuften Systemreste, Begriffe und Ansichten, die endgiiltig das wissenschaftliche Bemiihen innerhalb der Jurisprudenz zu vernichten drohten. Die unrichtige Annahme, dafi die erforderliche apriorische Einheit des Wissens von der inneren Struktur des Objektes ausginge, beinhaltete, dafi die imStoff verborgenen, zufälligen und wechselnden Ziele die wissenschaftliche Vernunft in die Irre trieben und unlösbare Aporien und innere Uneinigkeit verursachten. verursachten. Der Stoff hatte sich nicht nur als eine formlose Vielfalt —oder umdie Terminologie Schellings zu benutzen: als ein weiter Ozean — gezeigt, sondern schien aufierdem unzählige Untiefen von zufälligen Zielen und Interessen zu enthalten. Auf der unendlichen Oberfläche des menschlichen Wissens schien die Vernunft sowohl den Leitstern — das wissenschaftliche Ideal — als auch den Kompal? — die wissenschaftliche Methode - verloren zu haben. Der methodologische Pluralismus der Wissenschaft fiihrte, nach Savigny, dazu, dafi die Vernunftskraft, anstelle eine wissenschaftliche Systematik des juristischen Stoffes zu konstruieren, auf ein planloses Sammeln und Referieren von blofi historischem und an sich zufälligemStoff verschwendet wurde. Durch diese Tätigkeit entstand auf seiner Höhe ein Aggregat disparaten Einzelwissens, das nicht von der inneren Notwendigkeit, sondern von willkiirlichen Erwägungen von der individuellen Seite des Rechtswissenschaftlers zusammengehalten wurde. " Siehe aaO. S. 122; vgl. S. 15 und S. 90. Siehe Die Grundgedanken, S. 22: „In der Masse von Begriffen, Regeln und Kunstausdriicke, die wir von unseren Vorgangern empfangen, wird unfehlbar der gewonnenen Wahrheit ein starker Zusatz von Irrthumbeigemischt sein, der mit der traditionellen Macht eines alten Besitzes auf uns einwirkt und leicht die Herrschaft iiber uns gewinnen kann“. Siehe Vom Beruf, S. 29. Die rechtswissenschaftliche Bearbeitung des Stoffes darf, nach der Auffassung Savignys, nicht zu einer Systematik folgen, die „blos zu diesem oder jenembesondern Zwecke niitzlich dienen könne, denn deren haben wir viele, sondern welches als Buch vortrefflich sey“.

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