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100 „Was iibrigens von dieser sogenannten Wissenschaft an sich selbst zu halten sey, begreift sich aus demVorhergehenden von selbst. Sie beruht auf der angenommenen Entgegensetzung der Seele und des Leibes, und man kann leicht urtheilen, was bei Nachforschungen iiber etwas, das gar nicht existirt, nämlich eine dem Leib entgegengesetzte Seele, herauskommen kann. Alle wahre Wissenschaft des Menschen kann nur in der wesentlichen und absoluten Einheit der Seele und des Leibes, d.h. in der Idee des Menschen, also iiberhaupt nicht in dem wirklichen und empirischen Menschen, der von dieser (von der Idee) nur eine relative Erscheinung ist, gesucht werden. Es war also das Ding an sich, die Einheit, die sowohl das Reale wie das Ideale einschliefit, von dem Schelling meinte, es miisse im Zentrum der erkenntnistheoretischen Aufmerksamkeit stehen. Allein durch die Dialektik zwischen der sachlich abgegrenzten - historischen- Seite des Dinges und dessen philosophischem Grund wurden Grund und Ausdruck dahingehend in Einklang gebracht, dafi sie ,,das reel-Werden einer Idee in beständigem Fortschritt“ ausmachten, „so dafi zwar nie das Einzelne, aber doch das Ganze ihr angemessen ist, sich als Geschichte ausdriicke".^* Die von ihrer eigenen Eigenart her abgegrenzte Natur, die das Resultat dieses dialektischen Prozesses ist, hat sowohl Körper wie Seele, und vermag deswegen frei zu handeln, d.h. charakteristisch. In den schellingschen Wissenschaftsbegriff ist demnach ein Freiheitsbegriff einbegriffen, der das „Lafi uns machen!“ der kantianischen Vernunft bei weitem iibersteigt; die Freiheit der emanzipierten Vernunft wird von der Freiheit, charakteristisch zu handeln, ausgemacht. Aber damit die Universitat ihre Aufgabe erfiillen können soil, wissenschaftlich bildend auf die Aufienwelt zu wirken und ihre Autonomie zu garantieren, setzt es voraus, dafi die eigene innere Einheit der Universitat garantiert wird. Der Kampf gegen das Industrieschulenideal verlangt folglich, daf? sowohl der gesetzmäfiige als auch der gesetzwidrige Streit der Fakultäten ein fiir allemal beigelegt wird. Die einzige Beziehung zwischen den Teilen, die selbst diesen Anspruch auf Einheit in demgrofien System der Wissenschaft erfiillen kann, ist die organische Relation. Nur in der organischen Systematik wird sowohl der allgemeinen Einheit als auch den einzelnen Teilen ihre Freiheit garantiert. Auf die gleiche Weise mufite auch der vornehmlichste Ausdruck der Wissenschaft, deren handelnde Seite - die Universitat - gestaltet werden: „Die äufiere Vollständigkeit bringt noch keineswegs das wahre organische (Gesamt-)Leben aller Theile des Wissens herv’or, welches durch die Universitäten, die hiervon ihren Namen tragen, erreicht werden soil. Hiezu bedarf es, des (Lebensprincips des) gemeinschaftlichen Geistes, der aus der absoluten Wissenschaft kommt, von der die einzelnen Wissenschaften die Werkzeuge oder die objektive reale Seite seyn sollen. « 87 « 89 AaO. S. 270. ** AaO. S. 280. AaO. S. 230.

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