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132 Die Wormser Reformation enthält einen Abschnitt, in dem die Beweislehre behandelt wird.'^ Er bietet aber keine systematische Einteilung der einzelnen Beweismittel wie im spatmittelalterlichen römisch-kanonischen Recht. In gewisser Hinsicht kann man dennoch von einer Rangordnung der Beweismittel in der Worsmer Reformation sprechen, wenn man nämlich die Voraussetzungen fiir eine verurteilende Entscheidung mit den Voraussetzungen fiir die Anwendung der Folter vergleicht. Hierbei steht wie schon erwähnt das eigene Geständnis an erster Stelle der Bewertungsskala, dem an zweiter Stelle vollwertige Zeugen folgen."^ Zum Geständnis in Zivilsachen wird man sagen können, daB es nach der Wormser Reformation den Charakter eines Dispositionsaktes hat. Im iibrigen schreibt die Wormser Reformation in Zivilsachen ein Akkusationsverfahren vor, in dem Privatpersonen als Kläger auftreten und eine Folter nicht zulässig ist.'® Dieser AkkusationsprozeB unterscheidet sich jedoch von dem alteren AkkusationsprozeB Deutschlands u. a. dadurch, daB die formale Beweiswiirdigung durch eine materielle ersetzt ist, bei der beide Parteien Beweise vorbringen dvirfen. Gerade in dieser materiellen Beweiswiirdigung kann man einen EinfluB des römisch-kanonischen Rechts erkennen."' Beweispflichtig ist der Kläger. Kann der Kläger die Schuld des Beklagten nicht beweisen, wird der Beklagte freigesprochen, und es obliegt demKläger, denBeklagten fiir eventuell erlittenen Schaden zu eutschädigen. Wie E. Brunnenmeister und E. Schmidt hervorgehoben haben, enthält die Worsmer Reformation eine umfassende Rezeption des römisch-kanonischen Rechts.^® Dieser Umstand fiihrte zu umfassenden Konsequenzen vor allem fiir das deutsche Strafrecht. Die Wormser Reformation wurde nämlich ein einfluBreiches Vorbild fiir die Constitutio Criminalis Bambergensis (CCB) und die Constitutio Criminalis Carolina (CCC). Schwarzenbergs groBes Werk spielte später seinerseits eine wichtige Rolle fiir die weitere Rechtsentwicklung in Deutschland. Der EinfluB der CCB erstreckte sich nämlich weit iiber die Grenzen des Fiirstentums Bamberg hinaus, und die CCC, die in ihren wesentlichen Teilen den Inhalt der CCB wiedergibt, wurde als Reichsgesetz maBgeblich fiir das Strafrecht des gesamten Reiches. Der zunehmende römisch-kanonische EinfluB in CCB und CCC zeigt sich neue Indizien ergeben haben. (Klagspiegel, De Questionibus und De accusationibus; Laienspiegel, III, Von gcstrengen fragen und Von erzeugen der vrgicht.) Wormser Reformation, 3:3. In diesem Punkt bestehen jedoch gewisse Unklarheiten. Der Verfasser der Wormser Reformation scheint die Bestimmungen des römisch-kanonischen Rechts iiber die Anwendung der Folter und iiber verurteilende Entscheidungen miteinander vermengt zu haben. Siehe hierzu Brunnenmeister, Die Quellen, S. 112 f. "® Wormser Reformation, 6:2:8—9. Schmidt, Einfilhrung, S. 123. Brunnenmeister, Die Quellen, S. 102 ff.; Schmidt, InquisitionsprozeG, S. 73.

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