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130 prozeB in Deutschland während der letzten Jahrhunderte des Mittelalters angewandt worden ist. Wahrscheinlich erscheint jedoch, daI3 gewisse Zusammenhänge zwischen der Einfuhrung des Inquisitionsprozesses in das kanonische Recht, seiner Ubernahme durch die weltlichen Fiirsten Europas und der Entwicklung in Deutschland bestehen, auch wenn das Inquisitionsverfahren in Deutschland besondere einheimische Ziige aufweist. Das erhaltene deutsche Quellenmaterial zum Inquisitionsverfahren zeigt den engen Zusammenhang dieses Prozesses mit der Anwendung der Folter zur Erzwingung von Gestandnissen.®- Der wohl älteste Beleg fiir die Anwendung der Folter im deutschen Sprachraum stammt aus der Wiener Neustadt aus der Zeit 1221—1230.®^ Er läBt erkennen, daB die Folter schon friiher, wahrscheinlich schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vorgekommen ist. Die Anwendung der Folter scheint sich zuerst in Siiddeutschland und später, um die Mitte des 14. Jahrhunderts, in Norddeutschland verbreitet zu haben.®^ In diesem Verfahren spielte das Geständnis ohne Zweifel eine ganz zentrale Rolle. Es gait als vollwertiger Beweis. Konnte man ein Geständnis erzwingen, brauchte man keinen anderen Beweis, und die Sache konnte schnell und ohne langwierige und schwierige Ermittlungen entschieden werden.®® Zwar gibt es aus dem 14. Jahrhundert einige Beispiele ablehnender AuBerungen zu durch die Folter erzwungenen Geständnissen.®® Sie stellen aber nur Ausnahmen von der allgemeinen Entwicklung dar, die dazu fiihrte, daB man einen Angeklagten auf Grund seines unter der Folter abgelegten Geständnisses verurteilte, auch wenn der Angeklagte später vor Gericht seine Schuld leugnete. In den älteren Rechten war verboten, den Angeklagten gegen sein Leugnen zu verurteilen, auch wenn er unter der Folter gestanden hatte.®" Im 14. Jahrhundert begann man jedoch, auch gegen ein Leugnen zu verurteilen, indem man sich auf das beeidigte Zeugnis der Gerichtsmitglieder stutzte, die die Folter durchgefiihrt hatten oder bei ihr anwesend gewesen waren und bei dieser Gelegenheit das Geständnis des Angeklagten gehört hatten.®® Wie E. Schmidt in seinen einschlägigen Arbeiten hierzu bemerkt, verlagerte sich der Verfahrensschwerpunkt dadurch vom Gericht auf die Folterkammer. Das Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 23 ff.; Schmidt, Einfuhrung, S. 90 ff. Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 24; Schmidt, Einfuhrung, S. 91. Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 28 ff.; Schmidt, Einfuhrung, S. 91 f. ®® Schmidt, Einfuhrung, S. 90 f. Die sog. Magdeburger Fragen und Die Blume des Sachsenspiegels. — Schmidt, Einfiihrung, S. 96.; Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 35 f. ®^ So z. B. nach dem in der Wiener Neustadt angewandten Recht und nach der Blume des Sachsenspiegels. Schmidt, Einfuhrung, S. 100 f.; Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 35 ff. 64 66 68

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