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126 nicht wahrscheinlich und könne nicht die Grundlage eines Urteils abgeben. Denn es widerspreche der Natur des Menschen, nicht um seine Selbsterhaltung bemiiht zu sein und Tod und Verderben zu vermeiden. Menochios sehr ausfiirliche Erörterung der Zuverlassigkeit des Geständnisses liegt völlig auf der Linie der Ansichten zur confessio in Strafsachen, die wir schon bei gewissen spätmittelalterlichen Kommentatoren gefunden haben, die eine confessio des Angeklagten nicht fur ausreichend hielten, sondern erganzenden Beweis verlangten.^® Man wird sagen können, daB diese Linie, diese Einstellung zur confessio vor allem in Strafsachen in gewisser Hinsicht ein Abweichen von den Prinzipien der legalen Beweislehre bedeutet, daB ein Richter nicht nach entsprechender Priifung zur materiellen Wahrheit Stellung nehmen, sondern ohne Riicksicht auf eigene Uberzeugung nur nach den angefiihrten und erbrachten Beweisen urteilen solle. Mit dieser kritischen Einstellung zur confessio in Strafsachen fiihrt man in gewissem Umfang eine selbständige, freie Wiirdigung der Qualität eines Beweismittels durch den Richter ein. Sie erinnert zum einen an das friihere inquisitorische Verfahren und kiindigt zum zweiten eine erheblich spätere Entwicklung des ProzeBrechts an. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Untersuchung von Mascardis und Menochios Arbeiten miindet aus in die einleitungsweise in diesem Kapitel ausgesprochene Wiirdigung der spateren Entwicklung des römisch-kanonischen Rechts, daB die römisch-kanonischen Kommentatoren des 16. Jahrhunderts in Italien die spätmittelalterliche Entwicklung fortsetzten. Auf gewissen Gebieten fiihrt man Ideen welter und vertieft Gedanken, die von mittelalterlichen Kanonisten und Legisten vorgetragen worden waren, gröBtenteils summiert man jedoch die Arbeiten der Vorgänger und kommt auf diese Weise zu einem lezten Glied einer langen Entwicklungskette. Wie sich aus der Darstellung oben ergibt, ist diese Entwicklung ganz besonders deutlich bei den Begriffen notorium und confessio sowie bei den Lehren iiber Legalbeweis. Eine etwas andere Entwicklung findet man in der humanistischen, der eleganten Jurisprudenz, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem in den kalvinistlschen Teilen Frankreichs und Hollands entwickelt wurde und bliihte. In Holland erstreckte sich diese Zeit der Blute iiber die beiden folgenden Jahrhunderte, wahrend die humanistische Jurisprudenz anderweitig in Europa durch die Gegenreformation und die lutherische Orthodoxie zuriickgedrangt wurde.^' Einige der beriihmtesten französischen Rechtsgelehrten waren Jacques Cuiacius (Cuias) und Hugo Donellus (Hugues Doneau). Kennzeichnend fiir diese Rechtswissenschaft, die wegen ihres ersten Auftretens in Frankreich als mos gallicus im GegenSiehe oben Kapitel 1, S. 38. WiEACKER, Privatrechtsgeschichte, S. 166 f. 46

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