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119 an. Die erste Folgerung, die man seiner Ansicht nach ziehen kann, ist die, daB eine Tatsache notorium iuris durch confessio wird. Weiter sagt er, eine Sache werde notorium iuris auch durch Gerichtshandlungen, per acta iudicii, durch Gerichtsurteil, ex sententia, sowie schlieBlich durch notorium dispositionis, d. h. wenn die Notoritat von einer Tatsache auf eine andere iibertragen wird, notorium fictionis und notorium praesumptionis, wobei im letzteren Fall die Notoritat auf Annahmen oder Vermutungen beruht. Zur Begrundung seiner Darstellung beruft sich Mascardi auf eine groBe Zahl Autoritaten vom Hochmittelalter bis zu seinem unmittelbaren Vorgänger. Auf diese Weise bekommt man in gewissem Umfang einen Oberblick iiber die gesamte Entwicklung bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, und es ergibt sich deutlich, daB der Begriff notorium iuris sich schrittweise entwickelt und vor allem ausgeweitet hat. Besonders interessant sind hier naheliegenderweise Mascardis ausfiihrliche Gedanken zum notorium iuris per conjessionem.^ Nach der Feststellung, notorium iuris induci et probari per confessionem, erklart Mascardi unter Berufung u. a. auf Innozenz III., daB diese confessio entweder in iudicio plenario oder in summario, d. h. in den von Innozenz zugelassenen Fällen eines summarischen Verfahrens, stattfinden könne. Weiter werde eine Tatsache notorisch durch confessio, wenn sie fiir einen ProzeB zentrale Bedeutung habe, aber auch, wenn sie selbst nicht diese Bedeutung habe, aber mit einer solchen zentralen Tatsache zusammenhänge. Unter Berufung auf spatmittelalterliche Autoritäten und eine Konzilsentscheidung fiigt Mascardi jedoch hinzu, daB ein Gestandnis einer Tatsache, die nicht im Zentrum des Prozesses steht, keine Grundlage fiir eine verurteilende Entscheidung abgeben kann, sondern nur dem Richter eine Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen bietet. Man wird sagen können, daB dieses notoriumiuris geringeren Ranges an die Notorität erinnert, die von einem Geriicht ausgeht, das ein inquisitorisches Verfahren auslösen kann. Mascardi versucht dann allerdings notorium von fama abzugrenzen.” Bei Mascardi findet man eine Abstufung des Begriffs notorium, die umfassender und ausgefeilter ist als die Begriffsbildung der mittelalterlichen Kanonisten und Legisten, deren Lehren wir bereits geschildert haben. Mascardi erörtet auch eine Frage, die schon u. a. von Durantis und Panormitanus behandelt worden ist, ob nämlich ein notorium iuris aus einer confessio schon folgen kann, bevor ein Streit entschieden ist, oder ob eine sententia vorliegen muB. Mascardi schlieBt sich den spätmittelalterlichen Kommentatoren an und erklart, eine Tatsache werde notorisch schon mit der confessio, d. h. vor einer Endentscheidung der Sache. Er ** Mascardi, De probationibus, II, concl. 1107: 2—12. ® Siehe u. a. De probationibus, II, concl. 749 ff.

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