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45 Obwohl also von Seiten des Herzogs ein klarer Wunsch nach Zentralisierung des Gerichtswesens in Pommern auch imHinblick auf die Stadtgerichte bestand, erhielt Stralsund eine Ausnahmestellung. Die Hansestadt hatte seit dem Ende des 13. Jahrhunderts Privilegien,®' die die Einwohner der Stadt berechtigten, die Einlassung vor anderen Gerichten als denen der Stadt zu verweigern {privilegium de non evocando). Das Privileg ist belegt im Vertrag des Fiirsten Witzlaf IV. mit Stralsund von 1314.^® Stralsunds feste Verbindung zur Hanse fiihrte zu einer natiirlichen Ankniipfung an das Liibecker Rechtssystem. Schon seit 1234 wurde materiell das Liibecker Stadtrecht angewandt,®® und die Appellation von Biirgermeister und Rat in Stralsund ging an den Oberhof in Liibeck. Die Hansestadt Stralsund wurde dadurch rechtlich exemt im Verhaltnis zum Gerichtswesen der pommerschen Herzöge. Die Änderungen in der Gerichtsorganisation der Neuzeit, die auf Reichsniveau unter anderem zur Einrichtung des RKG und auf territorialer Ebene zur Konstituierung des herzoglichen Hofgerichts fiihrte, bewirkte fur Stralsund eine Anpassung. Die Appellation gegen Entscheidungen von Gerichten der Stadt sollte im Grundsatz nach Liibeck gehen. Jedoch wurde schon durch die PHO den Parteien ein zweiter Weg eröffnet. Diese Ordnung lieB namlich fiir die Städte liibischen Recht fakultative, alternative Appellation auch an das pommersche Hofgericht zu. Diese Möglichkeit ergibt sich indirekt aus einer Bestimmung, die den Fall regelte, daB die eine Partei eines Rechtstreits nach Lubeck appellirte, während die andere sich an das Hofgericht wandte. Die Vorschrift der PHO erkannte in dieser Situation dem Rechtsmittel an das Hofgericht ausdriicklich den Vorrang zu. Praktische Bedeutung diirfte diese Regel wahrscheinlich während des 16. Jahrhunderts nicht gehabt haben; Lubeck blieb die vorherrschende Appellationsinstanz.**® Es gelang sogar, von Kaiser Rudolf 1581 ein weiteres Privileg, das privilegium de non arrestando, zu erhalten. Dies gelang der Stadt unter Berufung darauf, daB der Umstand, daB der Kläger dem Forum des Beklagten folgen miisse (actor sequitur forum rei), dazu fiihren könne, daB die so an leib und leben gehen gegen Hoffe“. In anderen Fallen sollten sie der Disziplinargewalt des Rektors unterstehen. Diese Regeln iiber die Rechtsstellung der Hofdiener in Stettin zeigen nicht nur, daB sie insoweit im Verhaltnis zum Stadtgericht exemt waren, sondem auch — e contrario —, daB der Herzog selbst die Gerichtsbarkeit iiber diese Personengruppe ausubte. Nach Balthasar: Abhandlung S. 43. Dähnert: Sammlung II S. 7. Ebel: Liibisches Recht I S. 53. Ewe: Schätze einer Ostseestadt S. 9. — Bestätigt von Herzog Bogislaf X. durch den sog. Rostocker ReceB 1604 P. 3. Dähnert: Sammlung II S. 23. —Vgl. Balthasar: Abhandlung S. 24 ff. PHO 1566/69 fol. 83 pag. 1. —Ebel: Liibisches Recht I S. 53 FuBnote 2. 88 90

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