RSK 4

Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß die Vorschläge zum Teil Aufgaben und Problemlösungen heutiger europäischer Rechts- und Staatsordnung mit verblüffender Ähnlichkeit beschreiben, sondern auf die aus diesen Vorschlägen sprechende gesamteuropäische Gestaltungsintention und auf das Bewußtsein von einer europäischen Aufgabe der Staaten zur gedeihlichen Sicherung ihres Zusammenlebens in Europa, wie sie vor dem Wiener Kongreß diskutiert, aber nicht realisiert werden konnte. Diese und ähnliche Äußerungen vermitteln eine Bewußtseinslage, die man mit aller Vorsicht als eine europäische des . und frühen . Jahrhundert bezeichnen kann. Kollektive Identitäten dieser Art sind historische, gewachsene Phänomene, die sich erst auf dem Fundament geteilter und gelebter Kulturen herausbilden und die Kommunikations-, Erfahrungs- und Erinnerungsgemeinschaften darstellen.134 Sie stehen der Politik heute wie damals auch nicht so einfach zur Disposition. Auch wenn man Einfluß auf eine “Europäisierung des Bewußtseins” nehmen kann - erst jüngst hat Jürgen Habermas für die Bildung eines verantwortlichen europäischen Gemeinschaftsgefühls zu einer offenen Debatte über eine europäische Verfassung aufgerufen, so läßt sich europäisches Bewußtsein doch nicht beliebig aufbauen wie technokratische europäische Institutionen. Aber wenn kollektive Identität der Europäer als Europäer - neben nationaler und regionaler Identität - sich historisch entwikkelt, stabilisiert und tradiert wird, so erscheint in diesem Prozeß auch die Geschichte der europäischen Rechtsentwicklung - sowohl des “ius commune” als auch der nationalen “iura particularia” - als ein gewichtiger Baustein, der wieder verwendet werden kann. Das technisch - juristische Organisationsproblem “Europa heute” ist zugleich ein Reflex der unterschiedlichen regionalen und nationalen Mentalitäten und rechtshistorischen und rechtskulturellen Beding56 134 Vgl. auch Kielmansegg, Integration (Anm. 7), S. 55.

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