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Begriff des “ius commune” stellte auf die Weiträumigkeit der Geltung der Rechtsregeln und die Einheitlichkeit der Rechtsüberzeugungen ab,69 die durch die Universitäten in Europa gebildet und verbreitet wurden. Als Funktionsbegriff zur Behandlung und Interpretation der einheimischen Rechte verlor jedoch der Begriff des “ius commune” seine Eindeutigkeit,70 zumal das “ius commune” im Rang nach dem heimischen Recht nur subsidiär galt: “Ad hoc jus (sc. commune) regulariter recurrendum est, quoties jura localia, provincialia et leges imperii deficiunt.”71 So war es auch im Reichsabschied von festgelegt.72 Dieses heimische Recht bildete als “ius particulare” den Gegenbegriff zum “ius commune” und markierte damit den kleinräumigen Geltungsrahmen, der durch die Masse einzelner Gewohnheitsrechte, Stadt-, Provinzial- und Landesordnungen sowie Privilegien gebildet wurde. Universelles, allgemeingültiges Recht auf der einen Seite sowie “ius particulare”, “ius speciale” oder “ius singulare” auf der anderen Seite bildeten in Theorie und Praxis eine dauerhafte Polarität möglicher Rechtsordnungsmodelle in der europäischen Geschichte des Rechts,73 von der schon eingangs die Rede war. Sie bildet auch heute für den europäischen Vereinheitlichungsprozeß ein beachtensbedürftiges Element. Lorenz von Stein hat für dieses Charakteristikum Europas  das Wort geprägt: “Sein Leben ist der Kampf seiner Unterschiede mit seiner eignen inneren 35 69 Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 8. Aufl., Heidelberg 1996, S. 2 f. 70 So auch Coing, Europäisches Privatrecht I (Anm. 67), S. 87. 71 J.B. Wernher (Praeses), De jurisprudentia et jure in genere, respondet J.D. Haespfer, Vitembergae 1702, S. 28. 72 In: Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede..., Tom III, ed. Chr.von Senckenberg, Frankfurt am Mayn 1747, S. 600. 73 Vgl. z.B. Michel Bastit, Naissance de la loi moderne. La pensée de la loi de Saint Thomas à Suarez, Paris 1990, S. 128-130; Heinrich Thöl, Einleitung in das deutsche Privatrecht, Göttingen 1851 S. 122-127;Jean-Louise Halperin, Entre nationalisme juridique et communauté de droit, Paris 1990, S. 87-131 (“L´Europe partagée entre universalisme et particularisme”).

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