Dieser höchst vielgestaltige und vor allem “wandlungsfähige” Begriff “Kultur”24 hat auch die ursprüngliche Grenze zum Zivilisationsbegriff verschoben und weitgehend aufgehoben.25 Angesichts eines solchen umfassenden Kulturbegriffs, für den Bell die einleuchtende Definition “continual process sustaining identity”gebraucht,26 stellt sich die Frage, inwieweit alle Hervorbringungen des Menschen auf seinem gestalterischen Willen beruhen, oder doch auch von vielfachen externen Milieu-Bedingungen abhängig sind. Rechtsanthropologie und Rechtsethnologie haben deshalb die Frage nach einer Einheit der Rechtskultur innerhalb oder neben einer Vielheit von Rechtskulturen sowie die Möglichkeit einer logischen und schlüssigen Beantwortung dieser Frage als höchst problematisch angesehen.27 Pierre Legrand hat z. B. aus rechtsorganisatorischer Betrachtung eine genuin europäische Rechtskultur schlichtweg verneint, denn die nationalen Rechtssysteme “are not converging”.28 Die “europäische Rechtsgeschichte” hat es jedoch bei der Behandlung einer solchen Fragestellung etwas einfacher, da sie auf ein breites Fundament empirischen rechtshistorischen Stoffes zurückgreifen kann. Es ist heute ganz selbstverständlich geworden, Recht als einen Teil “der” Kultur oder jeweils “unserer Kultur” zu begreifen. Recht ist ein Kulturfaktor ersten Ranges. “Recht” und “Kultur” treten begrifflich in eine enge Beziehung. Josef Kohler erklärt : “Jedes Kulturleben 26 24 Lawrence A. Scaff, Max Webers Begriff der Kultur, in: Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, hg. von Gerhard Wagner (u.a.), Frankfurt am Main 1994, S. 678 f. 25 Vgl. dazu Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt am Main 1980, S. 2 f. 26 D. Bell, The Cultural Contradictions of Capitalism, New-York 1978, S. 36; vgl. auch Scaff, Webers Begriff der Kultur (Anm. 24), S. 678. 27 Vgl. Rüdiger Schott, Die Einheit der Rechtskultur in der Vielheit der Rechtskulturen, in: Beiträge zur Rechtsanthropologie, hg. Von Ernst-Joachim Lampe (ARSP, Beiheft 22), Stuttgart 1995, S. 167. 28 Pierre Legrand, European Legal Systems are not Converging, in: International and Comparative Law Quaterly 45 (1996), S. 52-87; vgl. auch Modéer, Legal Cultures (Anm. 5), S. 281 f.; Rüdiger Voigt, Von der Romanisierung zur Globalisierung? Zur Entwicklung der westlichen Rechtskultur, in: derselbe (Hg.), Evolution des Rechts (Schriftenreihe zur Rechtspolito-logie 7), BadenBaden 1998, S. 119.
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