RSK 4

Hägerströms Analyse. Die rechtlichen Konsequenzen einer Willenserklärung, wie zum Beispiel vertragsrechtliche Gebundenheit, Haftung und Informationspflicht, werden nämlich von solchen Normen in Gesetz und Gewohnheitsrecht geregelt, die außerhalb des Kompetenzbereiches der Philosophie liegen. Die Definition läßt daher die Frage, ob eine Willenserklärung voraussetzt, daß der Abgeber selbst sie abgeben wollte (Willenstheorie) oder ob es reicht, daß sein Handeln von außen betrachtet als Willenserklärung erscheint (Vertrauens- oder Erklärungstheorie), explizit offen. Solche Fragestellungen müssen nach Hägerström der Beurteilung der Rechtswissenschaftler überlassen werden. Hägerströms Kritik des juristischen Begriffsapparates paßte nicht richtig in das Bild, das ich mir vom Verhältnis zwischen schwedischem und amerikanischem Rechtsrealismus gemacht hatte. Die Begriffskritik mündete in einen für Juristen wohlbekannten Schluß aus: Die Jurisprudenz beschäftigt sich im Allgemeinen mit Sollen, nicht Sein. Es scheint schwer, einen solchen Standpunkt mit der Forderung des Rechtsrealismus nach einer empirischen Rechtswissenschaft zu vereinen. In der Praxis beseitigte ja Hägerströms Kritik die Vorstellung, die Willenserklärung beinhalte eine Beurteilung des faktischen Willens einer Partei. Gleichzeitig fand ich es schwer zu präzisieren, worin der philosophische Unterschied bestand. Zweifelsohne bedeutet Hägerströms Definition der Willenserklärung, daß ein für das Schuldrecht zentraler Begriff nicht mehr als eine Aussage über einen Wirklichkeitszusammenhang angesehen werden kann. Eine normative Aussage, ausgedrückt in einem Imperativ, kann - im Gegensatz zu Urteilen - weder widerlegt noch verifiziert werden. Die Norm: “Du sollst nicht töten”, ist im wissenschaftlichen Sinne weder wahr noch falsch. Doch in diesem Sinne ist auch Hägerströms Begriffsbestimmung nicht auf unwiderlegbare 185

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