RSK 4

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling wies den Gedanken einer solchen vorurteilslosen Untersuchung zurück. Er stellte fest, daß alle Erkenntnis, und so auch die Wissenschaft, in gleichem Maße von der untersuchenden Vernunft wie vom zu untersuchenden Objekt geprägt wird. Die Erwartungen, Bedürfnisse und Persönlichkeit des Wissenschaftlers ergeben, zusammen mit den Eigenschaften des Objektes der Erkenntnis, das Resultat der Untersuchung. Wissenschaftliche Wahrheit ist, nach dieser Sichtweise, das Produkt eines dialektischen Prozesses, in dem sowohl der Wissenschaftler als auch die Wirklichkeit im Verlaufe der Arbeit verändert werden. Meine Arbeit erschien an diesem Punkt nahezu vollendet. Das Einzige, was noch übrigblieb war, die Haltbarkeit der These durch eine nähere Analyse des Quellenmaterials zu prüfen. Ich suchte in der Kritik Hägerströms am Begriff der Willenserklärung Belege für die Annahme, daß sowohl der schwedische als auch der amerikanische Rechtsrealismus in einen rechtswissenschaftlichen Empirismus ausmünden. Anfangs schien Hägerströms Argumentation auch tatsächlich meine These zu stützen. Der Ausdruck Willenserklärung ist im Privatrecht ein Oberbegriff für eine Reihe verschiedener Rechtshandlungen, zum Beispiel Angebote, Annahmen und Verträge. Der Jurist meint damit nach Hägerström gewöhnlich eine “Mitteilung über den Willen [einer Partei] betreffs eines gewissen Rechtsverhältnisses”17. Auch wenn der Jurist die Verwendung des Begriffes zweckdienlich findet, ist es offensichtlich, daß sie nicht den Anforderungen an wissenschaftliches Vokabular genügt. In der Regel wird nämlich angenommen, eine Willenserklärung habe rechtlich konstitutive Funktion: Ziel einer Willenserklärung ist es, ein Rechtsverhältnis - eine Verteilung von Rechten und Pflichten - zwischen den Parteien zu begründen. Dieses rechtliche Verhältnis zwischen den 180 17 Hägerström, Om begreppet viljeförklaring i privaträtten, S. 100

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