RSK 4

verbergen sich unterschiedliche Modelle der Rechtsgestaltung, die den Kreis der Rechtsgeltung entweder allgemein und territorial umfassend oder individuell und regional bzw. lokal beschränkend anlegen. Einheitlichkeit und Vielfalt der Regelungsformen in Gestalt der generalisierenden (Gesetz) oder individualisierenden Norm (Privileg) können auch unterschiedliche Gerechtigkeitsprinzipien repräsentieren. Bereits in der Rechtsquellenlehre und -praxis des römischen Rechts wird dieses Spannungsverhältnis zwischen generellem undspeziellemRecht durchdieDichotomie “ius commune/generale” und “ius particulare/speciale” bezeichnet und erfaßt. Es gehört zum empirischen Befund europäischer Rechts- und Verfassungsgeschichte, daß die Wirkungskraft der individuellen Rechtsstrukturen und kleinräumigen Rechtsgeltungsdichte aus einer Opposition zum Zentralismus und zu generalisierender Rechtsvereinheitlichung entstanden ist. So kann man auch von einer Dialektik von Vereinigungsund Vereinzelungsbestrebungen in der Geschichte des europäischen Rechts sprechen. Der Tendenz zur Rechtseinheit steht immer eine Tendenz zur Rechtsvielfalt gegenüber. Rechtseinheit dient der Zentralisierung von staatlicher Macht, wirtschaftlicher Effektivität und der Kalkulierbarkeit der Rechtsentscheidung und Normdurchsetzung. Rechtspartikularismus und Rechtsquellenpluralismus sind Ausdruck kultureller Eigenart und dienen der Bewahrung regionaler Identität. In Phasen rechtlicher und staatlicher Vereinheitlichungen und Einheitsbewegungen kollidieren diese mit den gegenläufigen Gestaltungsprinzipien, die ihrerseits auf Vielfalt und Differenzierung der Lebenswelten und des Rechts beruhen. Die Soziologie begreift diese Prozesse unter den Begriffen der “Integration” als Zusammenschluß von Teilen zu einer neuen Ganzheit und der “Desintegration” als Zerfall einer Ganzheit oder auch einer Ausgliederung von Teilen aus bestehenden geschlossenen Sozialgebilden. Die wiedergewonnene deutsche Staats- und Rechtseinheit sowie das 18

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