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147 Die beharrliche Argumentation der Historischen Schule, dass Juristen im allgemeinen und Rechtswissenschafter im besonderen sich ausschließlich an die Quellen des positiven Rechts halten sollen, verursachte einen großen Durchbruch in dieser Zeit. Die sogenannte klassische Naturrechtslehre erholte sich nie von der wissenschaftlichen Kritik, der sie von Seiten der Historischen Schule augesetzt war.6 In der Mitte des . Jahrhunderts konnte dadurch Bernhard Windscheid abschließend feststellen “Es gibt für uns kein absolutes Recht. Der Traum des Naturrechts ist ausgeträumt”.7 Während der anderen Hälfte des Jahrhunderts sollte sich jedoch zeigen, dass sich die Rechtswissenschaft wieder mehr und mehr ungehindert sah, die Grenzen des wissenschaftlichen Diskurses, welche durch die Historische Schule festgeschrieben waren, zu überschreiten. Eine rechtswissenschaftliche Richtung, welche oft Begriffsjurisprudenz oder konstruktive Jurisprudenz genannt wird, gab dem Rechtswissenschaftler die Lizenz, zu argumentieren, wie, unter Beibehaltung wissenschaftlicher Autorität, das Recht gestaltet sein sollte. Die Begriffsjuristen behaupteten sogar, dass es die Rechtswissenschaft war, die die einzige eigentliche Quelle des Rechts darstellte.8 Dies bedeutete, dass sich die Rechtswissenschaft, in der extremen Form der Begriffsjurisprudenz, anmaß, fähig und sogar berechtigt zu sein, auf wissenschaftlicher Basis die Regeln des materiellen Rechts festzulegen. Damit konnte die Rechtswissenschaft Anspruch auf eine, imVerhältnis zumGesetzgeber konkurrierenden, Stellung erheben. Gerade imLichte dieser hegemonistischen Bestrebungen sollten Axel Hägerströms und der Historischen Schules Kritik der Rechtswissenschaft verstanden werden. Eine Konsequenz dieser Kritik war Hägerstöms emphatische 6 Für eine vergleichende Analyse der sogenannten klassischen Naturrechtslehre und dessen modernes Gegenstück siehe Karl Olivecrona, Rättsordningen. Idéer och fakta, Lund 1966, S. 77 ff. 7 Windscheid , B., Recht und Rechtswissenschaft. Greifswalder Universitäts-Festrede, 1854, in Gesammelte Reden und Abhandlungen, Leipzig 1904, S. 9. 8 Wilhelm, Walter, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert. Die Herkunft der Methode Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft , Frankfurt am Main 1958, 115 f.

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