RSK 4

145 den Ambitionsgrad, ein Wissen, welches Zeit und Raum überschreitet, zu erreichen. Der Übergang von der dualistischen Rechtsauffasssung der Naturrechtslehre zum Positivismus der Historischen Schule markiert einen Durchbruch für eine moderne rechtswissenschaftliche Sichtweise. Die Ausrichtung der juristischen Methodenlehre Stahls und der Historischen Schule auf einen rechtspositivistischen Grundgedanken beinhaltet nämlich, dass der Jurist in seiner Argumentation an die existierenden positiven Rechtsquellen gebunden ist. Sich auf Quellen zu stützen, die nicht diese Voraussetzung erfüllten, war daher wissenschaftlich nicht länger akzeptabel. Als Folge darauf schränkte sich die Reichweite der juristischen Argumentation in dem Sinne ein, dass es dem Juristen nicht länger erlaubt war, auf eine alternative Rechtsordnung zu verweisen, wenn ihm in irgendeiner Hinsicht der Inhalt des positiven Rechts nicht zusagte. Damit verschwand die Möglichkeit des Juristen, mit dem politischen Gesetzgeber zu konkurrieren. Er war, anstatt dessen, darauf verwiesen, mit Hilfe einer weiter entwickelten Interpretationslehre, die Ziele auszuführen, welche bereits im Gesetz impliziert wurden. Die rechtspositivistische Sichtweise der Historischen Schule zog folglich eine veränderte Rolle des Juristen mit sich. Der Zweck lag sicherlich darin, die Juristen, v.a. Rechtswissenschafter und Richter, an die in der Gesetzgebung festgesetzten Ziele bzw. Grundgedanken zu binden, welche die politisch-moralischen Überlegungen und Kompromisse des Gesetzgebers ausdrückte. Dadurch sollte jedoch nicht nur die Gefahr beseitigt werden, dass eine Konkurrenzsituation zwischen dem politischen Gesetzgeber auf der einen Seite und den Richtern und Rechtswissenschafter auf der anderen Seite entsteht, sondern auch einem Interesse an Rechtssicherheit Rechnung getragen werden. Die Quellen des positiven Rechts markierten die Grenzen möglicher Argumentation des Juristen.

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