RSK 4

Weshalb stehen wir heute vor einem Paradigmenwechsel? In den neunziger Jahren trugen neue wissenschaftstheoretische Vorstellungen dazu bei, daß sich das Fach Rechtsvergleichung wie der Vogel Phönix aus der Asche erhob. Heutzutage distanzieren sich viele Komparativisten von einer auf Europa fokusierten Kathegorisierung der Rechtsfamilien; und nicht nur das - die Rechtsvergleicher begegnen auch neuen Probleme, Theorien und Methoden. Sie wollen sich heute jenseits der Normen, jenseits einer funktionalistischen Angriffsmethode bewegen, in der Absicht, sogar - ja vor allem - die rechtskulturellen Dimensionen zu vergleichen und nicht lediglich nach universalistischen Ähnlichkeiten zu suchen. Es geht statt dessen darum, die Unterschiede und Besonderheiten der Rechtskulturen zu eruieren. Diese Besonderheiten machen sich vor allem auf kulturellem Gebiet bemerkbar. Daraus ergibt sich, daß das Fach Rechtsvergleichung wiederum in die schon vor einem Jahrhundert von Saleilles empfohlene Richtung einschlägt. Auch das Fach Rechtsgeschichte hat die dogmatischen und nationalstaatlichen Untersuchungen, mit Wurzeln im . Jahrhundert, schon seit langem aufgegeben, und die Rechtshistoriker beschäftigen sich immer mehr mit vergleichender Rechtsgeschichte. Anstatt Normen immerfort dogmatisch aus einer diachronen oder synchronen Perspektive zu untersuchen, beschäftigen sie sich immer mehr mit rechtsideologischen Fragen sowie den kognitiven Strukturen der Juristen in unterschiedlichen Epochen. ‘Rechtskultur’ ist eine Bezeichnung geworden, die eher für ein von humanistischen als von gesellschaftswissenschaftlichen Fächern inspiriertes Forschungsmodell repräsentativ ist. Sowohl Roger Cotterrell als auch Pierre Legrand basierten ihre kritischen Darstellungen mehr auf Rechtsideologien und Juristenmentalitäten als auf soziologische 104 Postmodernität und Rechtswissenschaft um

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