RSK 4

mehr oder weniger unreflektiert und unproblematisch als Identifikationsfaktoren der Rechtskulturen akzeptiert. Als Folgeerscheinung des Eisernen Vorhangs traten in der Nachkriegszeit vor allem die westlichen Rechtssysteme, insbesondere civil law und common law, in den Vordergrund. Die außereuropäischen Rechtskulturen, die durch die Imposition oder Rezeption von englischem, deutschem oder französischem Recht beeinflusst wurden, wurden auf Grund dieser Europa-fixierten Betrachtungsweise in die binneneuropäische Rechtsfamilie eingegliedert. Die übrigen außereuropäischen Rechtsfamilien, die nicht unter common lawoder civil lawkategorisiert werden konnten, wurden als oberflächlicher Restbestand “Andere Rechtssysteme” kategorisiert. Diese als exotisch und nebensächlich betrachteten Rechtskulturen wurden in den umfangreichen rechtswissenschaftlichen Darstellungen auf maximal zwanzig Seiten abgehandelt. Diese Darstellungen waren geprägt von der damaligen politisch polarisierten Weltanschauung der Nachkriegszeit - die entsprechenden Begriffe waren Imperialismus und Kolonialismus. Westeuropa stand in seiner Restaurierungsphase stark unter dem Konzept “Wir und die Anderen”. Die Rechtshistoriker jener Zeit - vor allem Paul Koschaker, Helmut Coing und Franz Wieacker - betonten die europäischen Rechtstraditionen mit kraftvollen Argumenten. Daß wir diese Entwicklung mitmachen, hängt zum Teil mit der Bewältigung des Erbes des dritten Reiches zusammen. Die modernen Rechtsvergleicher der Nachkriegszeit, die in der drei iger Jahren in die Emigration gezwungen worden waren, gingen wie bekannt in die Vereinigten Staaten, wo sie allmählich das Fach dominierten. Alle waren sie vom Nationalsozialismus als Außenseiter - “Outsiders” - geächtet. Ihrer rassischen Abstammung halber waren sie aus Deutschland ausgestoßen. Sie waren im deutschen Reich nicht in das “Wir” einbezogen, sondern gehörten den Nürnberger Gesetzen 102

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