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Die hanseatischen Seerechte 123 die Abkehr von einer Rangordnung, die in Aniehnung an das mittelalterliche Liegenschaftsrecht dem zeitlich alteren Pfandrecht ohne Riicksicht auf dessen konkrete wirtschaftliche Funktion den Vorzug vor dem jiingeren gab. Stattdessen iibernimmt das Stadtrecht im Jahre 1618 aus dem Römischen Recht eine Betrachtungsweise, die den Zweck des Rechtsgeschäfts (versio in rem) in den Vordergrund riickt. Das jungere Bodmereidarlehen wird immer auf Grund einer Reisenotlage gewährt und dient der Wiederinbetriebnahme des Schiffes und der Fortsetzung der Reise. Damit kommt dieses Bodmereigeschaft nicht nur den Reedern zugute, sondern auch alien Gläubigern, welche die Ausriistung oder Reparatur des Schiffes durch ein friiheres Bodmereidarlehen finanziert haben. Anders liegen die Interessen bei auBergewöhnlich weiten Reisen. Diese können in der Regel von den Reedern allein nicht finanziert werden, sondern sie benötigen zur Ausriistung des Schiffes fremdes Kapital, das durch ein Bodmereipfand gesichert wird. Hier ist es durchaus nicht unsachgerecht, daB das geänderte Hamburger Stadtrecht den Ausriistungsglaubiger, wenn er auf die Riickzahlung des Darlehens bis zur Beendigung der Reise warten muBte, gleichstellt mit späteren Pfandgläubigern aus Reisenotlagen. Die Schwierigkeiten, vor die sich die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts bei der Auslegung dieser Bestimmung gestellt sah,^^^ verraten demgegenliber deutlich eine amBegrifflichen haftende Betrachtungsweise. II. Die Flexibilität der Rechtsbildung Als zweites zeigt sich in den Hanseatischen Seerechten eine gewisse Flexibilität bei der Lösung von rechtlichen Problemen. (1) Ein beredtes Beispiel bietet das Revidierte Lubecker Stadtrecht, wenn dieses bei der Doppelheuer den Gegensatz zwischen dem älteren Prioritätsprinzip und dem jiingeren Posterioritatsprinzip, das sich von praktischen Erwagungen leiten läBt, unter Aufrechterhaltung iiberkommener Rechtsprinzipien durch die faktische Einräumung eines Wahlrechts zwischen beiden Vertragen iiberbriickt.^^® (2) Eine Flexibilität der Rechtsbildung zeigt sich auch in den Reaktionen des Hansischen Seerechts auf die Tatsache, daB die Seeleute ihre Fuhrung immer häufiger entgeltlich an Dritte abtreten und damit praktisch zu Verfrachtern eines fremden Schiffes werden. Mit der Normierung zunachst eines Zustimmungsrechts des Schiffers und dessen Ablösung durch ein VorLangenbeck (Fn. 104), S. 279 f.; Klefeker (Fn. 161), S. 281 f.; Pöhls (Fn. 198), 3. Tell (Hamburg 1832), S. 889 f. Siehe oben B V 2 (S. Ill f.). 315 316

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