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Die hanseatischen Seerechte 91 VI. Die Hansischen und hansestädtischen Schiffsrechte als gemeines Hanseatisches Seerecht Das Hanseatische Seerecht des 16. und 17. Jahrhunderts, das uns im Hansischen Seerecht von 1614 und in den seerechtlichen Bestimmungen des Revidierten Liibecker Stadtrechts von 1586 sowie des Hamburger Stadtrechts von 1603 begegnet, tritt uns nur scheinbar in drei unterschiedlichen und selbständigen Rechtsquellen entgegen. Zwar zeigte die Betrachtung der Quellen, daO die einzelnen Seerechte hinsichtlich der historischen Provenienz ihrer Normen unterschiedliche Tendenzen aufweisen. Dabei erwies sich das Liibische Recht als das traditionsgebundenere, das Hansische Seerecht als das aktuellere Recht. Das Hamburgische Seerecht von 1603 liegt insoweit auf einer mittleren Linie. Auf der anderen Seite aber konnten wir feststellen, daB die drei Seerechtsquellen in mehrfacher Beziehung inhaltlich miteinander verbunden und verwoben sind. Normen des Wisbyschen Seerechts finden sich sowohl im Hansischen als auch im Hamburgischen Seerecht. Hansisches Recht dringt einerseits in Gestalt des Hanserezesses von 1418 in das Lubische und andererseits mit Bestimmungen des Seerechts von 1591, das seinerseits aus den Hansischen Schiffsrechten von 1572 und 1482 erwachsen ist, in das Hamburgische Recht ein. Hamburgisches Seerecht wiederum wanderte bereits im 13. Jahrhundert im Gewande des Lubecker Schiffsrechts von 1299 von der Elbe an die Trave. Von dort findet das ältere Hamburger Schiffsrecht iiber Bestimmungen des Revidierten Lubecker Stadtrechts von 1586, die vom Hansischen Seerecht iibernommen werden, zusammen mit Vorschriften des älteren Liibischen Seerechts schlieBlich im 17. Jahrhundert Eingang in das hansische Satzungsrecht.DieseBeobachtungen berechtigen uns, —trotz unterschiedlicher Einzelbefunde —insgesamt doch von einem grundsatzlich einheitlichen Hanseatischen Seerecht zu sprechen. Damit relativieren sich die eingangs vorgetragenen Feststellungen iiber eine primäre und sekundäre Geltung der einzelnen Seerechtsquellen. Diese Fragestellung ist erst das Produkt der verwissenschaftlichten Gerichtspraxis des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts. Bis dahin erschien die Anwendung Hanseatischen Seerechts nicht als ein Problem vorrangiger und subsidiärer Rechtsgeltung. Eindeutig im Hintergrund stand allein das Wisbysche Seerecht, das als Seegewohnheitsrecht dem verwillkurten städtischen und hansischen Satzungsrecht unbestritten den Vortritt lassen muBte. Siche oben Fn. 42.

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