Der Weg zur einheitlichen Rechtspflege 253 „das“ — wie es schon in der allgemeinen Gerlchtsordnung fur die preuBischen Staaten von 1793 hieB®® —,,die Prozesse, soweit es ohne Nachteil des Rechts der Parteien geschehen kann, abgekiirzt und die Kosten dabei möglichst gespart werden“. Die bitteren Erfahrungen aus der Zeit des gemeinen Zivilprozesses, auf dem das Goethe-Urteil von der völligen Agonie des Reichskammergerichts lasteteZ® mögen den Zeitgenossen noch gegenwärtig gewesen sein. Das Hauptiibel des alten Verfahrens sah man folglich in seiner Stationenvielfait und formelhaften Verschlungenheit sowie in seiner Schriftlichkeit und seiner durch die Ausartung der Verhandlungsmaxime bedingten unerträglichen Langsamkeit und Schwerfälligkeit. Die gewunschte Straffung des Prozesses sollte durch folgende, vom Gesetzgeber selber beschriebene Grundsätze erreicht werden: „Die Entscheidung erfolgt auf Grund einer alien Stoff umfassenden miindlichen SchluBverhandlung. Tat- und Rechtsfragen werden gemeinsam verhandelt. Mit den Behauptungen sind die Beweise zu verbinden. Fiir das Vorbringen neuer Tatsachen, neuer Beweise gibt es keine ausschlieBenden Fristen. Was nur vor dem SchluBe der letzten miindlichen Verhandlung vorgebracht wird, muB gehört und erwogen werden. Auch die Beweisanordnungen des Gerichts sind nur prozeBleitend und nicht bindend. Es gibt keine Beschränkung des Beweises, und die Beweiswiirdigung ist bis auf wenige Ausnahmen frei von gesetzlichen Beweisregeln. Zusammengenommen haben wir es mit den Maximen des liberalen Verfahrens zu tun, die bis in die jiingste Vergangenheit unser ProzeBrecht bestimmen. Ihr ausgedehnter Verhandlungs- und Dispositionsgrundsatz war das Gegenstiick zur iiberzogenen Vertragsfreihet. Hier wie dort lagen in der böswilligen Ausnutzung aller Liberalität die Gefahren der weiteren Entwicklung. Dem neuen Verfahren fehlten wirksame Mittel gegen ProzeBverschleppungstaktiken. Die kiinftigen Reformen zielten daher auf eine Begrenzung der Parteiherrschaft und der Verstärkung der Verantwortung und Befugnisse des Gerichts. Sie fanden ihren Ausdruck vor allem in der Einfuhrung der Konzentrationsmaxime.'^- « 71 Vgl. § 9 der Einleitung der Allgem. Gcrichtsordnung fiir die preuBischen Staaten V. 6.7.1793. Vgl. Dichtung und Wahrheit, 12. Buch: . . Ein ungeheurer Wust von Akten lag aufgeschwollen und wuchs jährlich, . . Krit. dazu B. Diestelkamp, in: Festschrift f. A. Erler, 1976, S. 435 ff., 461. Vgl. Gutachten der Reichsjustizkommission an den Reichstag v. 19.10.1876, abgedr. bei A. Hell'K'eg, a.a.O., S. 131 f. Vgl. §§ 278 II a.F., 279 a.F., 283 II a.F. u. 529 II a.F. 2PO. Mit der Novellengesetzgebung seit 1898 wurden u.a. folgende weitere Regelungen eingefiihrt: Die Fristenverkurzung (§ 224 I ZPO), die richterliche Vorbereitung des Verhandlungstermins (§ 272 b a.F. ZPO), die Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO), die Entscheidung nach Lage der
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