252 Wolfgang Sellert Verteidigungsbeschränkungen. Sie sollen teils eine Beschleunigung des Strafprozesses bewirken,^^ teils aber auch die Bekämpfung des politischen Terrorismus erleichtern. Die Einschrankungen sind bedenklich. Sie betreffen Regelungen uber die bis dahin unzulässige Telefoniiberwachung,^® den VerteidigerausschluB,^® Kontrollen der Korrespondenzen zwischen Verteidiger und Beschuldigtem,®” die Durchfiihrung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten und zusätzliche Verhaftungsmöglichkeiten.®- Frei von alien politischen Anspannungen scheint sich die Entwicklung der Zivilprozej5ord7Jung vollzogen zu haben. Ihre lange und ereignissreiche Geschichte weist allerdings iiber weite Strecken hin das Gegenteil auf. Das gilt im besonderen MaBe fiir die Reichskammergerichts- und Reichshofratsordnungen, die neben dem sachsischen und französischen ProzeBrecht zu den wesentlichen Grundlagen unseres heutigen zivilprozessualen Verfahrens gehören.®^ Gleichwohl ist die jiingere Entwicklung der ZivilprozeBordnung imVerhaltnis zumGerichtsverfassungsgesetz und zur StrafprozeBordnung in ruhigeren Bahnen verlaufen. Im Gegensatz zum Gerichtsverfassungsgesetz und zur StrafprozeBordnung wurde daher die ZivilprozeBordnung am21.12.1876 imReichstag mit einer ganz iiberwiegenden Majorität, d.h. fast einstimmig angenommen.®'’ Als Vorbild hatte ihr die unter dem späteren preuBischen Justizminister Adolf Leonhardt ausgearbeitete ProzeBordnung von Hannover gedient.®® Diese Ordnung schien die liberalen Ideen am besten zu vereinen, denn —so meinte Hellweg — „in derselben ist nicht nur das Prinzip der Miindlichkeit mit gröBter Reinheit und mit Konsequenz durchgefiihrt, sondern sie bietet auch den Vorteil, daB sie zwar die iiber die franzosische Prozedur gewonnenen Erfahrungen sorgfältig benutzt, aber auch die Anschauungen und Rechtsgewohnheiten des deutschen Volkes beriicksichtigt hat“.®^ Nachdem einmal Miindlichkeit und öffentlichkeit als Maxime des Zivilprozesses feststanden,®® ging es um den Jahrhunderte alten Reformwunsch, So z.B. die Abschaffung der gerichtl. Vorentscheidung sowie der staatsanwahlichen SchluCanhörung und des SchluBgehörs (§§ 178, 169 a, b StPO a.F.). §§ 100 a, b StPO (sog. Abhörungsgesetze v. 13.8.68). 5» §§ 138 a—d StPO. 8» § 148 II StPO. § 231 a, b StPO. §§ 112 III StPO i.V.m. 129 a StGB. Kurzer Oberblick bei Lent-Jauernig, ZivilprozeBrecht, 18. Aufl. (1977), §§ 97— 102; ausfiihrliche Darstellung von J. C. Schwartz, 400 Jahre dt. CivilprozeB-Gesetzgebung, 1898. 8^ Uberblick dazu bei H. Conrad, Dt. Rechtsgesch., Bd. 2, 1966, S. 465 ff.; fiihrlich W. Sellert, ProzeBgrundsätze (vgl. FuBn.3). 8* C. Hahn, Die ges. Mat. zur CPO, Bd. II, 1. Abt., 1881, S. 1230. 88 Vgl. imeinzelnen dazu A. Hellweg, AcP 61 (1878), S. 83 ff. 8' A. Hellweg, a.a.O., S. 107 ff. 88 C. Hahn, Die ges. Mat. zur CPO, Bd. II, 1. Abt., 1881, S. 124 ff. 63 63 aus-
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=